Sexklusivknatsch. Eine Polemik mit einigen Klammern. Oder dann halt: Jetzt ist es so weit, ich schreibe eine Rechtfertigung Von Matthias Kuhn
«Schön, aber nicht aufregend.» «Georg: Was macht die Kunst? Zufrieden? «Oder ist das eine Täuschung? Sollte man erneut jenem fatalen Irrtum erlegen sein, die Kunstwelt mit der realen Welt gleichzusetzen?»
Nur als Einleitung: «Ich dachte diese Onaniertechnik sei schon abgelutscht.» Wer den Artikel «Exklusivklatsch» im St. Galler Tagblatt vom 11. Januar 2002 gelesen hat, weiss, was der Künstler Frank Keller meint: Da haben sich ein paar Künstlerinnen und Künstler verbal mächtig einen runtergeholt. Selbstverblendet und -eingenommen. Nicht nur, dass sie nichts zu sagen hatten, nein, sie haben es auch noch genossen, nichts zu sagen (zu haben). Sie haben nicht nur leere Phrasen gedroschen, haben sich um jede verbindliche Aussage, jede Schlussfolgerung gedrückt, nein, sie hatten auch noch ihren Spass daran. Das geht zu weit. Es ist konzeptlos unanständig. Es ist zum Heulen. Der Leserbriefschreiber schreibt unmissverständlich: «Inhaltlich hat sie [die Zeitungsseite] mir höchstes Unbehagen verursacht. So was Langweiliges habe ich schon lange nicht mehr gelesen.» (Jetzt pass aber auf, interessant: Die Anschuldigungen standen ja nirgends: habe ich mich jetzt so gut eingefühlt in den Mailschreiber? Oder was ist hier passiert?)
Star sein, ist nicht lustig. Langeweile und inhaltliches Unbehagen, mal sehen: da gäbe es doch vielleicht noch etwas dazu zu sagen: Was die Kunst macht und machen kann, wie Kunst sich orientiert, Blödsinn: Wie die Künstlerin und der Künstler sich orientieren, welche Strategien sie entwickeln, ist das Thema des Artikels. Das Unternehmen «Exklusivklatsch» hat zwei Ebenen. Die erste ist ein Artikel im St. Galler Tagblatt vom 11. Januar 2002, dessen Inhalt: was man liest, wenn man die Zeitungsseite vor sich hat. So einfach ist das.
Flexible Formate zum Beispiel: Auf der Suche nach neuen Räumen. Die andere Ebene ist: der Auftritt einer Gruppe von Künstlerinnen und Künstlern mit einem Artikel im St. Galler Tagblatt: also das, was hinter dem Artikel steckt, das (künstlerische) Konzept. Waren ja schliesslich Künstler und Künstlerinnen, die sich da gemeldet haben, keine Journalisten. Kann man schlecht trennen: Kunst und Leben (und was eigentlich daran Beruf ist, ist schwer zu beantworten, selbsternannt oder nicht. Auch ein Leserbrief). Eigentlich auch ganz einfach zu begreifen. Oder so: «Aber da steckt ja ein ganzes Konzept, eine ganze Story dahinter, wie es dazukam. Vielleicht weiss das der Betrachter [oder sagen wir: die Leserin/der Leser] gar nicht. Also müsste das im Prinzip für diese Arbeiten mitvermittelt werden. Oder kann man sich das schenken in dem Moment?» - «Gute Frage!» Es ist anzunehmen, dass die Leserin und der Leser nicht alles selber merken - dass sie gar nichts merken, ist allerdings auch wieder nicht zu befürchten. Schliesslich interessiert sie eine Sache: die Kunst. (Die andern Leser/innen interessieren dann wieder den Künstler nicht.) Und es interessiert sie vor allem, worauf denn nun die Künstler heute kommen, wenn sie versuchen so ein bisschen an den Grenzzäunen zu wackeln. Oder wenn sie versuchen, mit den Köpfen ein bisschen gegen die Kugelinnenfläche zu stossen. Als Kugel hat Tobia Bezzola an der Uni im Dezember das hermetische Betriebssystem Kunst beschrieben. Demnach spielt sich die Kunst im Innern einer Kugel ab, auf deren Oberfläche das wirkliche Leben stattfindet und an deren Periferie, an der sich eben die Künstler die Köpfe eingestossen haben, die Vermittler herumrennen, um zu vermitteln. Oder zu missionieren, eigentlich. Schönes Bild. Nur ist jetzt die Frage, was denn wackelt, wenn man stösst? Das ist nicht leicht zu beantworten: Denn man muss das Wackeln ja wahrnehmen. Sonst wars keins. Siehe Berkley.)
Mit einer klaren Antwort: ist die Diskussion am Ende. Auf der ersten Ebene entsteht der Eindruck, bei «Exklusivklatsch» drehe sich ein Gespräch zwischen vier Fachleuten im Kreis, vier Direktbetroffene wüssten nicht mehr weiter und fragten sich mehr oder weniger verzweifelt, was denn nun an diesem Punkt zu tun sei: wo sie nicht mehr weiter wissen. Das geht bis zur Idee, mit einem Flugzeug ins Museum zu crashen. Zynismus beiseite: So schnell wird aus einem Trümmerfeld keine Ausstellung. Ebenenwechsel: Die Beteiligten wissen nämlich was zu tun ist und auch die tausenfach gehörte Generalklage von den schlechten und uninteressanten Auftrittsmöglichkeiten (und überhaupt die Frage: Was soll das alles?) relativiert sich hier: Sie veranstalten zum Beispiel ein Gespräch und publizieren es im St. Galler Tagblatt. Soviel zum Thema: Flexible Formate. Wenn das Gespräch sich noch um flexible Formate dreht, und durchaus auch um die Schwierigkeit, sich als Künstler/innenperson flexibel zu verhalten (Stichwort: Rollenflexibilität), erschliesst sich das Ganze auf einer weiteren Ebene. Keine Ausrede zur Ehrenrettung. Im Gespräch ist die Rede davon: Neue Formate generieren und vorhandene Strukturen parasitär nutzen. Das mit den Formaten ist klar (siehe oben), aber parasitär? Nur damit Sie nicht immer noch denken, dass damit alles gesagt sei. Vor allem nicht zur Frage: Was ist Kunst? Oder, «was Künstler tun, gerade weil sie Künstler sind. Und ob das, was Künstler machen, irgendeine Relevanz hat. Für irgendwen. Oder ob man nicht genauso gut Fussball spielen könnte.» Und über das Publikum sowieso nicht. Es gibt nur eines: die «permanente Erörterung» all dieser Fragen.
Der Text «Sexklusivknatsch. Eine Polemik mit einigen Klammern. Oder dann halt: Jetzt ist es so weit, ich schreibe eine Rechtfertigung» erschien am 30. Januar 2002 im [wortwerk]. |