19940123 betrifft abfahrt und ankunft

lieber wenzel

 

 

einverstanden. ich weiss, du versuchst dich zu retten. du versuchst mit neuen worten auf den alten recht zu haben und das gespräch abzulenken. wo ich doch nur meiner natur gemäss ein wenig mich davonstehlen wollte. meinen fehlenden intellekt lieben lernen möchte. und das auch noch zugebe. die litanei sollte keine belehrung sein, wie man mit reisen umzugehen hat. von dem her sowieso nehme ich den letzten satz zurück und sage: du bist eigentlich noch nicht auf die reise vorbereitet. und ich doch auch nicht. [...] nun. du sagst, wir sollten die abfahrt im schwall der worte ebenso wie die ankunft ausörtern. gut. beginnen wir beim start. dem tag, an dem es losgeht. dann nämlich, wenn wir abfahren. nehmen wir eine zeit und los gehts. sagen wir fünf uhr in der früh oder noch herwärts. zwei uhr, was solls. wir laden die gefüllten koffer in das gefährt. diesen deutschen bus. und wir nehmen tranksame mit und brot für unterwegs. wir legen fleisch in das brot und eierprodukte. wir sind froh, uns etwas gerichtet zu haben. man weiss nie. denn es ist sommer. und erst noch samstag. alle leute wollen nach südwestfrankreich gelangen. auch die lastwagenfahrer, die dort wohnen. mit ihnen zusammen müssen wir rechnen. und uns zu ihnen gesellen. wenn wir abfahren, gleich welcher uhrzeit eigentlich, verlassen wir unser heim. und da wir als wenige der menschheit aus der geschichte gelernt haben, machen wir es nicht wie die helvetiker. wir zünden unser haus nicht an. weil wir wissen, dass uns auf dem langen weg gen süden unbill erwarten könnte. ein cäsar zu geneva, der brücken schleift um uns zu hindern, den mietvertrag ausfüllen zu können. er möchte uns da haben, wo wir herkommen. gut, mit dem auto ist es ein leichtes über den jura auszuweichen. es wäre auch gut, wenn wir uns dort wehren würden. denn wir haben das haus gemietet und wollen stracks hin. wir wollen am abend kugelnspielen. und essen und trinken. und wir wollen uns ausruhen. dieser cäsar aber macht uns kirre, er will uns nicht, denn er sagt, gehet heim. darum, mein freund, zünden wir das haus nicht an. denn wer weiss ... wir verschliessen es. damit alles noch da ist, wenn cäsar sich uns in den weg stellt und wir unterjocht werden sollten. auch als freie verbündete, wie man dem so schön sagt und als schutzschild gegen die teutonen, germanen und nordmannen, wie es ihm gefällt. den schlüssel, den nehmen wir tief in den sack. und dann sitzen wir in das auto und fragen uns: ist das feuer gelöscht. sind die brunnen zu? haben wir die springmaus rennen lassen, damit sie sich selber verköstigt im wald und auf der wiese. dann erst können wir fahren. und auf dem hügel überhalb unseres weilers schauen wir über die schulter gleich lot und seiner frau. und ich sage: schau, schau. hier haben wir alle unsre mühsal und unser lebensbrot verdient. nun ziehen wir weg und werden nie wiederkommen. wir werden in einem land leben, wo die wasser und der honig fliessen. wir werden dorthin gehen, wo uns verheissen wird. dann freuen wir uns eine weile und putzen die freudentränen weg. das, mein freund, das wird unser start sein. so werden wir gehen. so. nun ein gruss: steinweg

 

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