19940210 betrifft ersatzthemen mein lieber wenzeslaus.
rein sprichst du und der zukunft in die iris schauend. ersatz tut not und muss her. schon weil wir schweizer die erfinder der not sind (die schweiz ist ein land, wo vieles aufhört aber nichts anfängt): denke an alle notaggregate und notrationen, die wir haben für den fall dass. man weiss nie, wann er eintritt. aber wir wissen dass er eintritt. und gerade deshalb erachte ich dein ansinnen als sehr wichtig und für uns beinahe als sehr lebenswichtig. meine estelle hat sofort eingewilligt und dergestalt begeistert reagiert, dass sie auch die themen für alle ferienteilnehmerinnen und -teilnehmer gerne akzeptiert und sogar noch ausbauen möchte. du weisst, es gibt tausende von themen, die wir in den ferien besprechen können. nur, und da auch lobe ich deine voraussicht sehr, das geht nur, wenn man vorbereitet ist. sonst könnten sie durch ein plötzlich hervorquillendes schweigen gebrochen werden. die gespräche und die diskussionen. ich möchte daher eingehender darauf eingehen und noch eine liste anfügen, was die themen betrifft, die ich beizusteuern imstande bin. dies geschieht prozessorientiert und nach festgelegten qualitätsnormen. ich habe sie mit dem gruppenleiter besprochen. > gerade in der sparte küche würde ich gerne ein paar themen zur sprache bringen. das sind einerseits die von dir angesprochenen gewürze aus fremder hand. ein heikles thema, das viel erfahrung voraussetzt. dann möchte ich euch gerne erklären, wir sich die kristalle des salzes zusammensetzen, woher es kommt und welch wichtige elemente es in sich trägt. denn jedes kind weiss: salz ist nicht nur da zum salzen von speisen, sondern auch zur erhaltung des lebens in den knochen, den nerven, adern und bis hinauf in die hirnrinde. des weiteren erarbeite ich gerade eine untersuchung über die verwendbarkeit von reis verschiedener länder und sorten in einem konglomerat von beilagen. wie voll darf korn sein, wie weiss das brot? was macht den wein so christlich, das bier proletarisch? warum nur sind froschschenkel lieber zurück im teich als in der pfanne? und: kann man ein okapi essen, oder will es nicht? > aber auch in technischer hinsicht habe ich viel zu bieten. du kennst schon meine elementare eisenbahnanlage. du weisst, wie feinfühlig ich mit cd-spielern umgehe. im übrigen kann ich auch erklären, warum man eine fernsteuerung nicht mit dem messer entzweischneiden sollte. das andere ist die elektronik: meine zunge an der batterieklemme, was soll das? oder: wieviel volt erträgt ein menschlicher körper vor dem schnellen eintritt eines ungewollten todes? > die mechanik an und für sich ist ebenso ein spezialgebiet von mir. ich mache einen kursus: auseinandernehmen einer mechanischen schreibmaschine, sezieren bis auf die einzelteile und dann wieder zusammensetzen. eine schwierige aufgabe, aber sie ist zu machen. ein imbusschlüssel gehört nicht ins schloss und ein engländer ist kein mensch. ein schraubenzieher ist ein schraubendreher und eine bohrmaschine ist nicht verwandt mit dem nobelpreisträger selbigen namens. > getränke sind eine grosse liebe von mir. wieviel alkohol bringt einen auf eine einsame insel? was sagt ein mensch zum tee, wenn er handschellen in sich hat (abführtee) und warum soll bari den schnaps im winter nicht selber verköstigen bevor er zum unfallopfer kommt? warum bezeichnen alle leute das eral als ihr eigentum (oh, mins liebs eral) und zum krönenden abschuss: warum trinken schotten keinen vodka (ja, warum eigentlich nicht?) > filme sind nicht so mein thema: trotzdem möchte ich alle zitate aus robin hut zum besten geben, wie zum beispiel, «nein, ich will euch anführen», «hunderte» oder «der wald hat augen, ich schwörrs.» vielleicht möchte ich mit einem wenzel zusammen dann auch ein wechselseitiges ergänzungsgespräch machen mit dem inhalt: daun bei loo (ich weiss aus gutunterrichteter quelle, dass napoleon die schlacht bei waterloo deshalb verlooren hat, weil er auf seinem daunenkissen verpennt ist). was dazukommt sind die känterbörri teyls und die ganze palette von top gön («ach, sie waren das»). > dass man in der puberlität keine lust auf tasten hat, sondern eher auf fühlen, ist doch klar. ich bereue, das tasten nie erlernt zu haben. mein thema ist eher das klappen. das saxophon hat deren sechsundzwanzig für gerade einmal zehn finger (bei gesunden menschen) und entsprechend viele lederpolster (ein jaguar hat weniger). meinen langjährig angebotenen kurs: freejazz im religionsunterricht, kennst du bereits. > und dann ist letztens auch noch mein hauptthema religion angesagt. du kennst meine christliche vergangenheit, meine fähigkeit, offene gebete mit blöden bitten an der herrn zu einer ehrlichgemeinten witzrunde verkommen zu lassen. beispielsweise: a sagt: «herr, gibt uns kraft, unser schicksal zu tragen.» b sagt: «herr, gib uns weisse socken.» das ist natürlich nicht ganz im sinne des sinnes und daher frech und daneben. verständlicherweise möchte ich daher einen kursus abhalten über: das richtige wort beim offenen gebet : danken - fühlen - hoffen statt fordern - stänkern - nehmen, ein exkurs zu den rahmenbedingungen eines tollen christen. das bekräftigen tue ich mit dem zitat aus pos 3,15: «sei froh und schütze deinen geist vor urheberrechtlicher piraterie.» > und dann rufe ich dir zu: warum immer nur schnorren, warum nicht jubilieren und frohlocken mit reinen engelsstimmen? «i weiss mer es plätzli / doch säg i nit wo / dert han i es schätzli / bald truurig, bald froh / du hesch i dim lebe no keis e so gseh / und tät is verliere so tät es mir weh / hu-li-di hu-li di-o ho-li / hu-li di-a ho / ho / hu-li holi ho / di-a holi hu-li di-a ho-li hu-li di-a ho / ho / hu-li holi-ho.» weiter geht der text dann auch noch auf abenteuerliche weise (etwa so wie bei: you make me feel so young) und endet in der letzten strophe mit der gewagten aussage: «drum chum nu / mis schätzli / bi tag und bi nacht / du channst ja is zimmer und wär's au vermacht / und sing mer my liedli (so sagt man dem also, sic!) / so vil als de wit (sic!) / so lang als i lebe / verloh mi nu nit / huldi» etc. und dann gibts da auch noch weitere songs, die voll drinliegen, wie die deutsche fassung von «message in a bottle» (moderner) oder «fly me to the moon» (als die apollo noch keine glace war) und wenns uns zu wohl wird, dann cantabilieren wir «oh stille mich du fröhliche» oder tanzen um das lagerfeuer mit «bolle reiste jüngst nach pfingsten» (wo wohl dieser ort liegt? ernstacht ist uns ja bekannt ...) mit angeschwollenen lippen oder wir zauren den text eines senntumstückes und du darfst dann gradhäbä oder die mölodielinie übernehmen (konstantin wecker würde sicher die linie wollen) und dann sind wir glücklich. > der kleine hase kommt aber mit. natürlich, wie du gesagt hast. der grosse auch. die pikola strada auch, auch die great street (sozusagen der boulevard), der kleine und der grosse bär und sechser kann man immer brauchen, wie auch die paraphrasen: du bist ein frauenhasser und: du schwein, du miese ratte und ich schiesse dir ins knie. wenn uns dann nichts mehr in den sinn kommt. ich weiss auch nicht. und du kennst sicher auch ein paar erbauende themen von deiner seite her. dem jean fehlts auch nicht: das äthiopische rechnen vergisst man sowieso immer wieder und er ist ein bester kopfrechner den es gibt (mit vielen tricks, die wir gar nicht nachvollziehen können) und überhaupt: die kindin und der kind haben noch nie anstalten gemacht nichts zum schwätzen zu haben. dreinschwätzen jedenfalls geht bestens. nun mein freund. ich sehe graden kopfes in die ferien und ich habe keine angst. und wenn mal nichts kommt, gebe ich zu bedenken: auch stumme können gute menschen sein. 1 grusz, 1 steinweg.
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