19940214 betrifft unholde gedanken

mein lieber wenzel

 

 

ich hätte allen grund, ausfällig zu werden. die dinge im leben stehen schlecht. estelle und ich, wir warten nur noch ein paar jahre. dann gehts los. wir werden terroristen. menschen gibt es sowieso genug auf der erde. vor allem beamte. steuerbeamte, zivilstandsbeamte oder schalterbeamte. sie dürften verschwinden, ohne dass sie jemand vermissen sollte. auch die politiker sind zuviel. und bänkler oder fabrikanten. würden sie alle auf einer insel leben, in einem beamtenbiotop, kämen sie uns nicht in die quere. zusammen wären sie dann korrekt und dienstbeflissen. sie hätten einen staat von erster güte. da wäre alles wohl organisiert. und keiner von ihnen würde sich über vorschriften beklagen. sie würden sich gegenseitig formulare zuschieben und abrechnung tätigen, die es ohne die nichtbeamten zwar nicht brauchen würde, aber sie würden einfach so tun als ob. ich denke, das wäre eine gute idee. die zu vielen beamten wären glücklich und der rest des volkes auch.

> da diese variante aber schlecht zu realisieren ist, du weisst ja, müssen wir zu rabiateren methoden greifen. wir müssen nachhelfen. und da, wie du weisst, kaltblütiges abmurksen von menschen, auch wenn sie beamte sind, strengstens verboten ist (die beamten schauen schon, dass das nicht einfach so geht, weil sie wissen, dass es um sie schnell geschehen sein könnte), müssen andere wege gesucht werden. wir denken da an strangulieren oder aufhängen. der vorteil dieser methode ist die saubere arbeitsweise. ein elektrostuhl könnte man sich konstruieren. aber wie bringt man da diese gestabigen menschen drauf? dann kommt auch noch das erschiessen in frage. mit schallgedämpften pistolen, damit man die restlichen, noch lebenden menschen nicht so erschreckt. ich bin ein verfechter des sauberen knieschusses. das gibt arbeit für die orthopäden und die krankenschwestern. und die bamten hätten einen denkzettel. wenn sie sich nicht bessern, haben sie noch eine zweite kniescheibe.

> nun, bei all den vorfällen von mord (in der dilletantischen gangsterszene) haben wir uns letzthin gefragt, warum wohl kindesmisshandlungen, vergewaltigungen und anschliessende morde vor allem im grünen wald stattfinden. wir haben die lösung herausgefunden: die opfer lassen sich gut an ort und stelle vergraben. wir zum beispiel hätten in unserem wohnzimmer eine schwierigere situation: würden wir das opfer im stubenboden vergraben, würde es der untermieterin auf den esstisch fallen. und das wäre sowohl unangenehm (man denke da an die gäste, die gerade beim suppenessen wären) wie auch auffällig. man hat also bei dieser wohnzimmermethode darauf zu achten, dass einem der oder die untermieter-in wohlgesonnen ist. sonst läuft ein gerichtsverfahren an, das seinesgleichen suchen würde. ein präzedenzfall, würde ich sagen. diese art der opferbestattung würde wohl auch in den boulevardpressen der welt ziemlich subito auftauchen. daher haben auch wir uns für den wald entschieden. den schönen grünen wald.

> warum ich dir das schreibe? fragst du dich. ich wollte dir nur einmal ausführen, wie wir wirklich denken. und ich wollte dir unsere nahe berufliche zukunft einmal schildern. ich denke, dass dies für dich wichtig sein könnte. vielleicht willst du dich uns anschliessen? denn wir brauchen noch jemanden, der uns geeignete opfer nennen könnte. und es geht ja auch darum, die mordliste von jazzmusikern mit anderen berufgattungen zu vervollständigen. einverstanden? 1 grusz: steinweg.

 

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