19940220 betrifft die menschlichen feinde

mein lieber steinweg

 

 

> so, jetzt ist es soweit. nach dem kurzen bacchantischen vorspiel auf dem proszenium (nach welchem, oh ich tor, natürlich kein vorhang fallen konnte!), welches der funktion nach wallensteins lager von unserem allseits geliebten herrn schiller folgt und dem textlosen zwischenspiel, welches anstelle eines schönen gemäldes eine jagdszene und damit keimende lebensfreude und -lust vermitteln soll, werde ich, mit grober hand, hier und jetzt unsere improvisation entwerfen und ein bisschen vorstrukturieren, unser improvisioniertes theater. beginnen muss das stück naturgemäss und selbstverständlich mit einem würdigen titel, mit einer programmatischen überschrift, einem fanal eigentlich, welches neugierde weckt und doch alles verhüllt, geheimnisvoll genug ist, ein ganzes menschliches schicksal zu verbergen, allwelches im verlaufe des stückes mit unvermittelter heftigkeit eröffnet und in seiner tragik ausgebreitet werden soll, welcher also lautet:

Die menschlichen Feinde
ein improvisiertes Drama in fünf Akten
mit einem Vor- und einem Zwischenspiel
nebst einer Klammer nach der Pause nach dem dritten Akt

jetzt wo also alles klar ist, oder gar nichts, begibt sich der autor, welchen die literaturgeschichte mathias gali vulgo positas adrian nennen und vergessen wird, hinüber in die dichterklause und schareibt und schareibt. es ist das schicksal (und die schicksau) der dichtherrn, dass sie grosse abstruse dramen entwerfen, dass sie in ebensolche verwickelt sind und dann vergessen werden. aus der literaturgeschichte sind vielherr solchherr fälle bekannherr. trotzdem gehen wir über zu der auflistung der beteiligten personen in der

Dramatis Personae
ganymed: ein grosser sänger, des königs mundschenk
hebe: eine schöne sterbliche, der königin mundschenkin
phanias: ein gewichtiger lüstling
plutos: ein (junger) gott
ein knabe: als junger fischer
ein mädchen: als halb-prinzliche abkömmlingin

bürger von pézenas. verschiedene männer und frauen. festliches gefolge und verschiedene masken. musikanten. wachen und anderes gefolge. ein teufel. ein scotch-terrier.

die szene ist den grössten teil des stückes hindurch ein landsitz unweit pézenas und dann, zu beginn des sechsten aktes, pézenas selber und der dortige gerichtssaal inklusive marktplatz.

[...] [1]

> so meine lieben, das ist also der versprochene entwurf zu unserem improvisierten theater. über die rollenasuarbeitung und die kostüme können wir selbstverständlich noch reden: änderungen sind also jederzeit möglich. mit freindlichen grüssen an die kindschaft (wenigstens arbeitet die kinder) und an ein äuerchen. mein lieber brütsch: es hat mich gefreut: wenzel franz.

 

 

 

[1] [...] Der Entwurf für das Theaterstück «Die menschlichen Feinde» musste aus urheberrechtlichen Gründen aus dem Briefwechsel herausgenommen werden. Wir bedauern dies. [zurück zum Text]

 

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