19940221 betrifft auch die menschlichen freinde

mein lieber freund wenzel

 

 

ich habe mir das sonntägliche leben nun eingerichtet wie im heiligen wald. dein theaterskript liegt bereitet auf dem tisch. daneben die bibel, ein handbuch für meine göttin (die in den ferien ja leider dem volkswagen platz machen muss), ein taschenrechner (will heissen: ein rechnungsausrechner, in der tasche rechnet der sowieso nicht), ein locher (hat in diesem fall nichts mit pamela anderson zu tun), eine messlatte (...) und ein glas wasser. es stört also nichts den genuss des lesens und des nachmittags. ausser meiner wenigkeit, die selbstschreibend anwesend ist, befinden sich alle hauptdarstellerinnen (hebe und die- in diesem fall sowieso - töchterliche, halb-prinzliche abkömmlingin) und der junge fischer ausser hauses. du siehst: nichts, aber auch gar nichts kann mich von der eingehenden lecktüre, von deinem dispositionem ab-, um- oder sogar weglenken.

> um besser reagieren zu können, um dir direkt einblick zu geben in meinen begleitenden gedankenfluss, schreibe ich dir alles tunlichst und minutiös auf. darum vielleicht auch der vergleich zum heiligen wald. ich denke, dort wird viel vorabgeklärt, bevor viel geld verlocht oder auch verdienet wird. «vielleicht ist denken in bezug auf amerikanisch heiligenwald aber das falsche wort», sagt eine stimme im hintergrund. gut, mein freund. es ist wirklich niemand in meinem büro, ausser mir, und meinen lasterhaften hintergedanken, die sich stimmlich zwischenschalten. «eigentlich hast du mich ja gern», sagt die stimme zu mir. ich gebs zu, ermuntere sie aber, ein wenig leiser zu sein, damit ich endlich auf den punkt kommen kann.

> du siehst, ich taste mich also zusammen mit dir an die materie. will heissen: ich schreibe und lese gleichzeitig. das soll die qualität der gedanken verbessern, die inspiration, mag aber vielleicht manchmals auch einen gedanken zu schnell gleiten lassen. daraufhin hätte ich dich denn auch gewarnet.

[...] [1]

> ich möchte mich nun zum ende meiner kleinen schrift bei dir bedanken für die mühe und arbeit, die du dir gemacht hast. ich denke, die improvisationsformen liegen sicher und offen und machbar vor uns auf dem tisch, weil du die wahrheit der künftigen situation schon lange erkannt hast, als du noch nicht wusstest, dass wir nach pezenas fahren. nun, da wir sicher sind, das haus wissen und die örtlichkeit, und die improvisationvorlagen kennen, wissen wir auch, worauf wir uns entwerfen können. was die pinzenzin anbetrifft ist sie jedenfalls tief überzeugt, franzmannen, gleich wie teuffel in scharen in den garten lotsen zu können. du siehst: dein entwurf entbehrt in keiner weise einer pubertierenden absichtshaltung. und hebe, mein weib, sie wird den teuffel dann schon beim namen nennen: jean-françois (ach, was für ein schöner name für einen teuffel: hans-franz), étienne oder einfach auch nur max, von denen es auch im frankenland ein ganzes fuder hat.

> ich freue mich auf meine rolle als mundschenk und sänger. denn wie heisst es im prediger 2 vers 8? « ... ich verschaffte mit sänger und sängerinnen und, was die wonne der menschensöhne ist, frauen in menge.» na also.

> herzliche grüsze von einem steinweg, der zuhause geblieben ist und von seiner reizenden familie, welche am reisen ist. bye bye bläckbörd.

 

 

 

[1] [...] Der Kommentar von David Steinweg zum dramatischen Entwurf «Die menschlichen Feinde» von Franz Wenzel wurde bereits im Anhang der Edition der Werke Franz Wenzels publiziert und wird deshalb hier ausgelassen. [zurück zum Text]

 

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