19940415 betrifft die tagesscheisse in einem volksfreund

 

 

 

nein. ich beklage mich nicht über die buchstaben. keinesfalls. nur manchmal leide ich unter ihrer täglichen häufigkeit. was dazukommt ist dann noch ihre konstellation. stell dir vor: eine elternversammlung in einem anti posofischen heim. eine autoausstellung. ein pi pa po und ein neuer obstlehrpfad. der erste der svizzera. mostindien. es ist zum kotzen. zwar eigentlich nicht einmal die materie. ich verstehe doch selbstinnig die notwendigkeit von besorgten eltern und von obst. auch dafür würde ich mich einsetzen. und ich sehe auch ein, dass verkaufte autos unsere sogenannte wirtschaft unendlich ankurbeln: arbeit, benzin, strassenbeläge, pneus, operationssäle undsoweiter. du siehst: ich bin nicht abgeneigt, irgendetwas zu verstehen. und auch zu verkaufen. irgendwie zu verkaufen.

> dass dies manchmal müde macht, obendrein ein freund des volkes zu sein, kannst du sicherlich verstehen. und auch, dass mir die konsonanten und die vokale in den falschen hals kommen. ich bin manchenmals furchtbar müde und unleidig. ich mag nicht mehr süffige sachen schreiben. und vielleicht, aber lassen wir das ...

> nun, mein wenzel. heute war auch so ein tag. ein pendel zwischen hergekarrter glosse für den samstag, eine fundierte helvetikseite mit histerischer landkarte, drei seiten über bräker von herhaus, einem text über den kaufhauserpresser dagobert auf seite zwei, unendlichen obstgeschichten, einer bürgergemeindeversammlung, dem schüler-bibliotheksbus, einem offenen tag der türen beim glashaus-treibhausexperten, dem genannten elternforum, einer mercedes a-klasse, die von einer nathanael-bibelwoche mit kindern versüsst wurde, einem schlappen kabarett und inseraten, die das gelbe vom ei als den sprung zum mars sich verstehen, dann noch telefonate mit rechtsaussen zur bundesverfassung und entrüsteten leserbriefen dazu, die allemal nicht rechtszeitig erscheinen wollten, drei spargelspitzen mit cumuluskarte und einem hilferuf ins archiv von keystone. dann mussten die apfelbilder per isdn zum «allgemeinen anzeiger» und herhaus möchte morgen doch umsverrecken auch noch die adressen von saner in basel und ziegler in genf. er will ihnen gratulieren. brieflich. recht hat er. «sie haben doch sicher die adresse?» natürlich haben wir ein twixtel. es ist beschissen. und es funktioniert auch noch.

> nun, eine freude noch dazwischen? eigentlich nicht. das muss doch wohl so sein. der automatenkaffee ist schlecht. am sonntag sollte man noch einspringen, den wahlresultaten ins blatt zu helfen. wenn du auf die uhr schaust, ists abend. wenigstens das. der rücken rückt nicht mehr. die stühle sind zu tief. der bildschirm flimmert. die seele auch. und das ohr tut weh von den rechtsaussen und den anderen, die es glücklicherweise auch noch gibt. fazit? die arbeit ist nicht jeden tag richtig bereichernd. aber manchmal hat man eine wut. und dann schreibt sich auch ein fax an einem selbigen bildschirm - etwas älter noch und noch flimmriger - leichter. ich bin mir jetzt nicht mehr böse. und der welt auch nimmer. es ist nun raus. danke mein wenzel, du kannst so schön zuhören.

> übrigens: mach dir keine sorgen. gruss: steinweg.

 

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