19940419 betrifft die narren

 

 

 

wer auch immer der zechmeister und das oberhaupt der narren und der lügner sei, oder wenigstens ihr vatter, bleibe dahingestellt. und auch wenn der barfüsser keine antwort auf diese frage weiss, so jedenfalls schliesse ich aus deinem schreiben, möchte ich doch nicht zu kurz treten und ein zitat anfügen, das in richtung der weisheit und erkenntnis zielet. es ist ein satz vom erasmus von rotterdam - auch einem pfarrsohn, und erst noch in einer barfüsserkirche begraben - den er in einer kutsche sitzend, von italien gegen engelland holpernd, seinem freund thomas morus zugedacht hat. entsprechend hat das werkchen auch einen wortspielnamen erhalten: encomium moriae. dass aus more morus wurde und daraus die griechische torheit, mag auch damit zusammenhängen, dass die zweien im ausgehenden müttelalter als begründer des neuzeitlichen nonsense, wenn wir nun mal so wollen, gelten dürfen. nun also, was schreibt dieser erasmus in seiner kutsche? er schreibt: «alle welt lacht über solche unbestreitbaren torheiten, doch sie gefallen sich selbst dabei, haben ihre lust und salben sich mit dem glückbringenden honig meiner gunst.» also spricht er, und meint mit sich gleich die narretei sölber. nun aber, lieber froind, kommt auch noch gleich ein fortsatz, mit dem ich eigentlich die lösung deines angesprochenen problems von wegen der narrenkappenzahl im volk aufzulösen gedeiche: «die aber darüber lächeln, sollten lieber erwägen, ob sie es für richtiger halten, mit solcher torheit das leben zu versüssen oder sich am nächstbesten balken aufzuhängen.» dicke geschichte nicht wahr? einmal ausgegangen von der freundschaft zum volke, und der aussage des kurzgewachsenen kurt peter, der jeweilen gemeint hat, man müsse ein theater fürs volk möglichst einfach gestalten, da dieses mehrheitlich dumm sei, gerät man nun an eine klippenfrage (lemminge oder nicht). soll man nun also sich der torheit hingeben als einem spiel und sich an ihr amüsieren, oder soll man sich gleich um die ecke bringen? nun. ganz auf die brille gefallen bin auch ich nicht, mein froind. und deshalb vermute ich insgeheim, dass bundesrat ogeuy (er stamme von den hugenotten ab, hat er einmal behauptet, treu der abfolge kennedys, der sagte: «ich bin ein bierliner» und sinatra: «sono uno di palermo») nicht positiv thinking gelesen hat, was sowieso english ist und nicht dem «bon français de candersteg» entspricht (und deshalb für ihn wohl auch unerreichbar hätte sein können), sondern erasmus von rotterdam. dem entgegen spricht die tatsache, dass der erasmusplatz sich in basel befindet und nicht in kandersteg, und dass nur recht wenige das «lob der torheit» von diesem holländischen geleerten wirklich verstehen wollen. andererseits, und dies auch nach der eidgenössischen abstimmung wiederum passend, stehen hier einige sätze, für politiker geradezu geeignet (oder hat nicht einmal ein hans w. seiner elisabeth ein liebes gedichtbändchen mit reinen reimen gewidmet und sogar veröffentlicht?). also schreibt erasmus an die kleinseligen: «was stört es dich, ob das ganze volk dich auszischt, wenn du mit dir selbst zufrieden bist?» ist dies nun eine anleitung für havemann und biermann im elixier und solche, die von oben gegeisselt werden (von denen natürlich, die das volk hinter sich wissen) oder für die, die immer recht haben. wir, will heissen: ich, weissen es nicht. es ist eine schlimme frage. aber und zum abschluss und zum untermauern meiner theorethie, noch ein satz von erasmus: «... jeder hat ein recht, sich selbst zu loben, wenn ihm kein anderer den gefallen tut.» na also? hab ich recht oder nicht? grusz: steinweg.

 

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