19990629 betrifft lauter glück und gnade mein lieber steinweg
> also will ich eine fortsetzung erfinden, die den graben schliesst zwischen deinem letzten und meinem jetzigen fax, eine fortsetzung, die sich annähert an das frankreich, in welches wir in zwei wochen fahren werden, eine fortsetzung vollherr jubilierendherr vor(herrsch)freude und ohne schalen nachtgeschmack. folgendes will ich beitragen zur diskussion (und damit zu deinem grand frommage de france et d'italie integral): eine prophezeiung und ein segen. > allein um gräben zu schliessen kann der herr schon angerufen werden, um einen wohlfeilen segen für unsere reise zu bekommen umso mehr. zum thema graben und dem schliessen desselben: «Macht hier und da Graben an diesem Bach», so spricht der herr. er will uns also bei der fischerei behilflich sein. «Und einen Graben machet ihr zwischen beiden Mauern für die Wasser des alten Teiches», denn wir sollen die fische nicht tiefkühlen, sondern sie schwimmen lassen, bis wir sie verzehren, denn der herr spricht für die kreatur: er will sie lebend und will dass wir sie frisch auf den tisch bekommen. «Da stellte ich in die Graben das Volk», sagt er und meint, dass er uns sicherlich schützen wird. «... der solle zu den Löwen in den Graben geworfen werden», meint er zum schluss, denn er will uns auch ein bisschen angst machen, dass wir nicht tun und lassen können, was wir nur wollen, sondern auch ein bisschen fromm und liebreizend sein sollen, zueinander und zu ihm auch. er meint wahrscheinlich: keine überbordenden orgien und so. ein bisschen orgien schon, aber eben nicht zuviel. ich habe gesagt, dass wir sehen werden, was sich machen lässt. erwarte nicht zuviel von uns, herr. wir sind nur menschen und schwach im fleisch und im geist und unser leben ist zeitlich beschränkt und unsere ferien auch. aber wir werden sehen was wir tun können. so habe ich gesprochen, und ich hoffe, dass ich damit für uns (mindestens in christlicher hinsicht), etwas herausgeholt habe. wär ja auch zu schade, in frankreichs üppigstem süden zwei wochen nur zu beten und zu fasten. ich kniete dann im garten in der laube, vogelsang umfing mich sehnsuchtsvoll und heiser, ein letzter sonnenstrahl durchdrang mich mild und schön, ich kniete nieder, ein mann, doch bittend und sagte still eine schöne prophetie, allwelche ich psalmodierend gen himmel schickte, herabflehend das bessere ende für unsere reise, die für unser leben steht. ich sprach: «wir sind nichts als irre hirten, doch werden wir nichts angeln. wirr weherden auf gründenden auen zur ruhstatt am wasser langern. wirr weherden unser verlangen stillen [...]. man wihird uns den tisch dencken im angstgesicht unserer freinde. man wihird uns salben und uns den becher voll einschenken. lauter glück und gnade weherden uns folgen all unsere tage und wirr weherden leben, unser leben lang.» also sprach ich abermals. es zuckten blitze und grollten donner in meine rede und fertig war der milde abend. > mein lieber steinweg, diese prophezeiung und segensflehung wird nun wohl bald die letzte sein vor der grenze, ich hoffe also, dass sie genützt hat und uns ein segensreiches leben beschert. und nur soviel zum gottlosen troste: was uns ein biblischer fischzug und eine allenfalls unerklärliche vermehrung von brot (ebenfalls am strande) nicht zu bringen vermag, das werden wir uns bei continent allemal auch selber besorgen. und für orgien sind wir eh zu alt. soviel dazu. gruss an die familie selbdritt und selbst: ein immerwährender wenzel.
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