19940711 betrifft froh zu sein (ein abgesang) mein lieber steinweg
> dass du froh bist macht mich froher. dass du zuerst erschrickst, macht mich nachtdenklicher als alles andere: in einem fax zwischen père und jean pignon, zwischen jean darme und monsieur schnédèr, also zwischen frank reich und herr bert, ist ein durchaus ironisch zu nennender ton vorherrschend und gehört zu den gepflogenheiten und notwendigkeiten; da kann und muss, und nicht nur zwischen den zeilen, sondern hart darauf, erkannt werden, dass alles betrug, dass alles falsch und vorgelogen ist, dass nichts mehr seinen platz hat, dass alles, nicht nur leicht, sondern schwer dérangiert ist und also aus den fugen gerät, dass man keinem mehr trauen kann und darum davon ausgehen muss, dass man keine freunde hat, dass alle gegen einen arbeiten und einem böses wollen, schlicht und einfach gesagt, man muss zwingend erkennen, dass alles ironie ist, oder es ist nicht. > in diesem sinn, mein liebhabherr, habe ich den konflikt heraufbeschworen und schwöre ihm nun ab, nicht etwa um dich in sicherheit zu wiegen, sondern um den nächsten in ruhe vorzubereiten. ich bin ein friedlicher mensch, du weisst es, und muss deshalb die konflikte, und gerade mit dir, mein lieber davide, erfinden und auf dem papier zur blüte bringen und die schlacht entfalten und schlagen, um geschlagen oder siegreich nach hause zurückzukehren (in den kopf (den ich nie verlassen habe)), wie einst der herrliche dulder odysseus, der zwar als schweinehirt zurückkam, aber in unverblichener grösse auferstund, als seine penelope sich an seine siegreiche brust warf, als die schlacht der götter, aber auch jene des lebens, siegreich geschlagen war. nebenbei: und wie bei odysseus weiss man nie wirklich, ob eine schlacht siegreich war oder nicht, ob man jubeln soll über den (abstrakten) sieg oder weinen über die (realen) toten. es ist deshalb, meine meinung, in jedem fall besser, die konflikte, ob kriecherisch oder emotional, auf dem papier zu erfinden, auszutragen und zu beenden, als mit luststreitkräften ins feld, oder besser den himmel, zu ziehen, um dem feind den garaus zu machen und ihn das fürchten zu lehren. des einen freund ist des andern feind, und umgekehrt. > es erfreut mich hochwohlgeboren, dass es jetzt endgültig bei den 5null3 kilometern bleiben soll. trotzdem werde ich, das herrotische vergnügen wird mir eine ehre sein, dir gerne unter deine axeln griffeln. aber nur, wenn dies erstens auch dein lustbefinden steigert und wir zweitens alles abgesehen von unseren militärischen graden über den kartentisch bringen können. hier verstanden. ruhn. > nach scharfer und eindringlicher betrachtung werde ich von einem in-das-hosenbein-seichen absehen und versuchen, in jedem fall, das problem anders zu lösen. vielleicht seiche ich aus der offenen bustüre direktestens in den gegenwind. > im übrigen muss ich deutlich sagen, dass mir gar nichts anderes übrigbleiben wird, als den herren kümmherrli und freiherrli mein vollstes vertrauen entgegenzubringen, ich selbst habe die gegend, die sie für uns gezeichnet haben, noch nie im überblick gesehen und kann ihre karten deshalb nicht eigentlich kritisieren. wir werden nach den angaben von k&f fahren müssen. euch aber, mein lieber, kann ich das vertrauen aus erfahrung entgegenbringen, was die sache doch einigermassen vereinfacht. ich werde mich also im notfall an euch halten. deshalb also auch, wie es sich gehört, ein gruss: wenzel.
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