Die Linkmaschine (Maschinelle Rekursion)

Dieser Text, den Sie hier vor sich haben, unterscheidet sich äusserlich nicht von einem im Druck erschienenen Text. Trotzdem sind die Unterschiede (zwischen dem sequentiell-linearen traditionellen Text und dem elektronischen Text) ganz erheblich. Wenn ein herkömmlicher Text von rechts oben (auf der Seite) nach links unten linear verläuft, so explodiert dieser Text kraft seiner Möglichkeiten und läuft, ausgehend von dieser Seite, ins Unendliche. Dieser Text macht sich sein Erscheinen im Fenster Ihres Internetbrowsers und die damit verbundenen technischen Möglichkeiten entschieden zunutze. Er wird zum eigentlichen Mittelpunkt eines ganzen Universums von weiteren, (unabhängigen) Texten und Bildern, wenn nicht gar zum zeitweiligen Zentrum des Internets überhaupt. Das Verweisgerüst, das ist die Linkstruktur dieses Hypertextes, bietet für jedes einzelne Wort einen extratextuellen Link an, der vorübergehend (oder endgültig) aus dem Text herausführt (und zwar immer nach der Adresse, die bei der Suche nach dem entsprechenen Linkwort bei Altavista weltweit den sogenannten best match erzielt hatte) und den Text (nicht nur örtlich, sondern auch) inhaltlich weit hinter sich lässt. Insofern unterscheidet sich eine solche lineare (maschinelle) Suchstrategie (und Verknüpfung) entschieden von einem assoziativen (intuitiven) Vorgehen, da sie zielstrebig das gesuchte Wort auffindet und keinen Spielraum für das individuelle Interesse der Benutzerin und des Benutzers lässt. Ein wirklich assoziativer Hypertext funktioniert nur im Kopf, im eigenen Textgedächtnis. Die einzige inhaltliche Verbindung dieser verknüpft ausgelagerten Texte und Bilder zu ihrem Urtext bleibt also die (furchtbare) Assoziation einer Suchmaschine. Trotzdem entsteht in der Verknüpfung der einzelnen Wörter dieses Textes mit ihren zugeordneten Seiten so etwas wie eine assoziative Verbindung, da das maschinelle Rekursionsprinzip dieses Textes die gefundene Internetseite nicht nur auf diesen Text zurückbindet, sondern sie Teil desselben werden lässt. Der Hyperlink steht in diesem Text für die Erinnerung an (verstreute) Fragmente, aus deren Kombination beim Klicken und Lesen neue, überraschende Argumentationen und Gedankengänge werden können. Für die Technik dieser Seite spielt durchaus auch das Prinzip eines collagierenden Umgangs mit medialem Material (entgegen einem computerimmanenten strengen Maschinenprinzip des immergleichen Takts), eine Technik des Copy & Paste eine wichtige Rolle: das Recycling vorhandener und abgelagerter Internetstoffe.

Stand: Februar 2000

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