journal_04.07.2001

 

 

VORWORT. die beobachtung des hauses gegenüber geht weiter. deshalb ohne lange umschweife zur:
DAILY SOAP. TEIL 2. das unerwartete gleich vorweg: vielleicht erübrigt sich dann das weiterlesen. die strasse schreitet zum GEGENANGRIFF. das hatten wir nicht erwartet. der exodus schien uns die einzige möglichkeit, zumal er auch von den beobachtungen der letzten tage bestätigt zu werden schien. seit letzter nacht ist alles anderes. es ist so: herr win wurde aus dem gegenüberliegenden haus, nummer 95, fotografiert. so verhält es sich. wirklich.
>>> NEUE ENTWICKLUNGEN. der reihe nach. selbstverständlich hatten wir uns gestern - das aktuelle journal war gerade online - auf unseren beobachtungsposten eingerichtet und auf einen lange nacht vorbereitet. beobachteten auch so einiges. das interessanteste dazu: die DAME im vierten links lag wie jeden abend auf dem sessel - fast nur die beine sichtbar - und blickte - aus der beinstellung zu folgern - in die richtung des zimmers, aus der auch das bläuliche blitzen und flimmern zu beobachten war. schaute also fern. nur, dass sie gestern nacht zu einem paar kurzen hosen einen einzelnen GUMMISTIEFEL trug. füsse übereinandergeschlagen: ein fuss im gummistiefel. haben dann lange überlegt, was der grund sein könnte. «wieso würdest du nachtz zum fernsehen einen gummistiefel tragen?» die hilfsfragestellung brachte uns nicht weiter. dass der DAME auch noch ihr KIND quer über dem bauch lag und freidlich schlief, brachte uns auf keine weiteren ideen. indizien ausgeschöpft: fall ungelöst. mindestens das aber durchaus brauchbar: man stelle sich das einmal vor. (die nummer mit den gummistiefeln zieht sonst nur die tochter des essiggurken-präsidenten ab: nur tanzt die dann auch noch.) wir warteten bis der film fertig war und beschlossen, die übung abzubrechen: hat ja keinen sinn die nacht versteckt auf dem balkon zu verbringen, wenn gegenüber alles dunkel ist. wir entschieden uns auch gegen eine art SCHICHTBETRIEB und nur für eine letzte zigarette. nun stand also, und damit kommen wir zu sache, herr win - rauchend - auf dem balkon, zugegeben - von einem konventionellen französischen standpunkt aus gesehen - nicht gerade in der vorteilhaftesten kleidung: unter dem hängenden tshirt die unterhose wirklich kaum sichtbar. und eben diesen umstand nütze die bisher unbekannte (und folgliche ungesehene NACHTBARIN im fünften stock links schamlos aus: sie trat kurzentschlossen auf den balkon und fotografierte den HERRN ohne ersichtliche BEINKLEIDER mit einem scharfen blitzgerät, das die strasse in tageslicht tauchte und für den bruchteil einer sekunde die NACHT vergessen machte. als ich auf den balkon trat war der spuk vorüber. was solls? dachten wir zuerst. nun warten trotzdem auf POST. auf eine drohung oder sowas, auf einen vermittelnden vorschlag zur rettung des quartiers: französisch geschrieben natürlich, und deshalb nur unter erschwerten bedingungen verständlich. der DICTIONNAIRE liegt bereit. wir warten. wir haben zeit. und beobachten in der zwischenzeit weiter.
weitere informationen folgen bei gelegenheit.
DAILY SOAP. TEIL 3. «natürlich werde ich mich heute mittag noch genau zu den einzelnen possen äussern. ich habe nämlichst festgestellt, dass meine entgegnungen auf deine beobachtungen zu wünschen übrig lassen. ich habe auf einige gar nicht reagiert! welcher unanstand. und muss das natürlich nachholen. nicht dass du denkst, dass mich die gesichtetheiten nicht interessieren würden und dass ich keine ideen hätte zum dritten studenten im bunde, zu den nackten füssen der nackten tatsachen, unzo. das muss ich nachholen. [...]» eben brètsch und deshalb weiter:
EINWENDNUNGEN 4ff. [die berichte dazu siehe gestern]
>>> EINWENDUNG 4. «zu bericht nummer vier: du weisst aus früherer erfahrung, dass studenten und innen gerne feste feiern und immer wieder einen anlass dafür finden. seis auch ein noch so kleiner, undurchsichtiger. erstaunlich hingegen ist, woher die immer wieder den mut nehmen feste zu feiern. obwohl sie noch nicht wissen, woher sie den stoff nehmen (zum trinken). ich habe die erfahrung gemacht, dass man in frankreich sagt: «nous faisons une bataille» oder so. und dann kömmen die loite mit papiertüten voller suff angelaufen. erst spät zwar. aber sie kommen. und niemand macht sich die mühe zu fragen: «woher hast du diesen tollen burgunder?» oder «nimmt mich wunder, woher der porto aus dem jahre 1885 stammt». und dann hängt man einfach herum, bis die flaschen leer sind. meist noch darüber hinaus. solange, bis alle in den büschen liegen. auf dem land. in der stadt siehts dann eben so aus, wie du das beobachtest: sie sitzen und stehen und liegen herum. und sie sind laut. aber da du ja besonders diskret bist, kannst du eben nicht hören, was sie sagen. das finde ich einen tollen zug von dir. dass du so zurückhaltend bist. andererseiz möchte ich dir den rat geben: geh einfach rüber. verschwestere dich, verbrüdere dich. ich sage dir (wiederum aus erfahrung): franzhosen sind sooooo langweilig, dass sie froh sind für jede abwechslung in ihrem tristen leben. wer von denen war nämlich jemals im ausland? so viel frequentiert wie wir? niemand. sie kennen nur paris, davon meist nur das quartier, und ihr kaff im departement iksüpsilon. und je kleiner dieses ist, umso länger ist sein name: franche-marie de sarthe-beaulieu, beispielsweise. zwölf einwohner, sieben kühe. keine bar. kein kiosk. kein bäckherr. kein metzgherr. rien de rien. pas une plume. nom d'une pipe. drum auch schläft deine nachbarin so lange. sist nicht der kater der das macht. sist das unvermögen. die lange weile. und die unerfahrenheit was weltweite dinge anbelangt. sie kann nicht anders. fazit: geh rüber und erlöse sie. sie wirz dir danken.»
>>> EINWENDUNG 5. «zu bericht nummer fünf (isch bin schanell nummer fünf): dass ein neues gesicht ans fenster tritt, verstehe ich. das gesicht ist dorthin gegangen, um die loite zu unterhalten. um ihnen etwas über sein departement zu erzählen, wo es selber herkommt. das sag ich aus erfahrung. drum geht einfach auch hin. erlöse sie auch deinerseiz. und mach zuhause deinen video an. dann siehst du dich selber ans fenster treten. es wird dich freuen. ich hab aber noch eine weitere einwendung zu machen. ich glaube je länger ich lebe, dass viel mehr menschen asexuell sind, als wir schleckthin annehmen. logisch liest man in illustrierten (mit bildern, sonst würde ja niemand hinsehen): «wers noch nie mit einem esel gemacht hat, ist ein perveser» oder: «bisexualität ist normaler als schokoladessen» oder: «nehmen sie zwei frauen (oder auch zwei männer; die eigene geschlechtlichkeit spielt ja eben keine rolle mehr) von der strasse und lassen sie los.» die erfahrung zeigt hingegen: die wenigsten loite haben jemals ganz befreit herumgebumst. sie würden gerne. weils aber nicht geht sehen sie fern (berlusconi sei dank unzoweiter). drum mach dir keine sorgen über das dritte gesicht: es ist kein puzzlestück im dreierteil. es ist nur ein besuch. garantiert!»
>>> EINWENDUNG 6. «zu bericht nummer sieben: ach wie gern würde ich estelle kennenlernen. wenn sie sich kämmt. wenn sie sich am fenster zeigt. und dann die bange frage: hat sie am morgen keinen mundgeruch? hat sie wenigstens am abend zuvor geduscht?»
>>> EINWENDUNG 7. «zu bericht nummer acht: wenns so ist, wie vorhin angenommen: dann ist estelles freund ein held. «es gibt immer wieder helden unter den männern», sagt rudi der ehemalige fremdenlegionär. «ich habe wenigstens nur getötet. aber was die für weiber ein leben lang aushalten. richtige helden.» das sagt rudi, der ehemalige legionär. (er darf in ganz frankreich sein leben lang gratis zugfahren. wahrscheinlich hat er zahlreich getötet. rudi sagt: «frankreich kann stolz auf mich sein. ich war in algerien keine memme.»)»
SCHLUSS? «die anderen einwendungen muss ich morgen schreiben.» so schliesst monsieur seine reinwendungen. gut: also gehtz morgen weiter. TEIL 4.
GALERIE. HERR WIN et DIE PRINZESSIN défendent paris.

 

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