thomas mann
mit der verdammten reise ist es so ...
(aus: felix krull)

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«mit der verdammten reise ist es so: die eltern wollen mich loseisen, - man muss dich nur einmal loseisen, sagte mein vater, indem er mitten im französischen dies deutsche wort gebrauchte, - ein ganz unangebrachtes wort, ob es nun mit eis oder mit eisen zu tun hat. denn ich sitze weder im eise wie ein polarfahrer - die wärme von zazas bett und ihres süssen körpers macht diesen vergleich einfach lächerlich -, noch sind es eiserne fesseln die mich halten, sondern die lieblichsten rosenketten, deren festigkeit ich allerdings nicht bestreite. ich soll sie aber zerreissen, wenigstens versuchsweise, das ist die idee, und dazu soll die weltreise dienen, die die eltern mir ausgiebig finanzieren wollen - sie meinen es ja so gut! weg soll ich einmal - und zwar für lange - von paris, vom theatre des folies musicales und von zaza, soll fremde länder und menschen sehen und dadurch auf andere gedanken kommen, mir die grillen aus dem kopfe schlagen - grillen nenne sie das - und als ein anderer mensch zurückkehren, ein anderer mensch! könnten sie wünschen, ein anderer mensch zu werden, ein anderer, als der sie sind? sie blicken vage, aber ich, ich wünsche es nicht im geringsten. ich wünsche zu bleiben, der ich bin, und mir nicht durch eine reisekur, wie man sie mir verordnet, herz und hirn umdrehen zu lassen, mich mit mir selbst zu entfremden und zaza zu vergessen. das ist natürlich möglich. durch lange abwesenheit, eingreifenden luftwechsel und tausend neue erlebnisse lässt es sich bewerkstelligen. aber gerade weil ich das theoretisch für möglich halte, verabscheue ich das experiment.» «bedenken sie immerhin», sagte ich, «dass sie, sollten sie ein anderer geworden sein, ihr früheres selbst, das gegenwärtige, nicht vermissen und ihm nicht nachtrauern würden, einfach, weil sie es nicht mehr sind.» «ist das ein trost für mich, wie ich da bin? wer kann vergessen wollen? vergessen ist das erbärmlichste, unerwünschbarste ding von der welt.» «und doch wissen sie im grunde, dass ihr abscheu vor dem experiment kein beweis gegen sein gelingen ist.»