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Joseph von Hammer-Purgstall: Beschneidungsfest Murad's III. für seinen Sohn Mohammed

 

[Vorbemerkung]

Diese nachfolgend abgedruckte Beschreibung stammt aus der Feder des Historikers und Stadtschreibers von Tyngör, Joseph v. Hammer-Purgstall, der sie in seiner Geschichte des Osmanischen Reiches 1829 veröffentlichte und sich auf den handschriftlichen Bericht des oesterreichischen Gesandten an der Hohen Pforte, des Grafen Julius v.Leszky, stützt, welcher nach dem Frieden von Edirne 1568 und dem Vertrag von Speyer 1570 in freundschaftlicher Beziehung zu Sultan Murad III. stand, der 1574 den Thron bestieg. Dieser Nachkomme von Selim II. erreichte, wie auch sein Vater, die politische Klugheit und das taktische Geschick des grossen Süleiman II., genannt der Prächtige, bei weitem nicht mehr. Was er von ihm geerbt hatte, war die Prunksucht und dies ergab, gepaart mit einem jähzornigen Wesen, eine Persönlichkeit, die mehr von Wein und Haremsintrigen geprägt war als von starker Entschlusskraft. Dass dieser Bericht in seiner Länge und Anschaulichkeit von einer nicht zu übersehenden Bewunderung getragen ist, scheint auf dem Umstand zu beruhen, dass nach der für die Osmanen vernichtenden Niederlage in der Seeschlacht von Lepanto 1571 sich das Kriegsglück wieder mehr dem Sultan zuneigte. Der Krieg gegen Persien von 1579 bis 1590 brachte nämlich die Eroberung von Tiflis und Täbris, so dass es für den habsburgischen Gesandten geraten schien, den Sultan durch sein Zeremoniell als bedeutenden Herrscher darzustellen. Die nachmalige Veröffentlichung in Tyngör, das ja jahrhundertelang als Teil des ungarischen Königreiches tributpflichtiger Vasall des osmanischen Reiches war, scheint diese Vermutung noch zu verstärken.

Anm.: Der Text folgt im Aufbau getreu dem Manuskript; die Schreibweise wurde behutsam modernisiert. Es sind, nach den üblichen Prälimininarien, die ersten fünf Abschnitte wiedergegeben.

 

[Originaltext]

Das Beschneidungsfest Murad's III. für seinen Sohn Mohammed steht in der osmanischen Geschichte unerreicht durch Glanz und Reichtum der Anstalten und Länge der Dauer; dasselbe macht daher auf längeres Verweilen dabei einen so gültigeren Anspruch, als sich zu dessen Verherrlichung alle Fülle der Pracht und alle Blüte mechanischer Kunst vereinte, wie sie sich damals in der Hauptstadt entfaltet hatte, als das Schauspiel, nicht nur aller Gaukler, Taschenspieler, Tänzer, Sänger, Ringer, Fechter und Possenreisser, sondern auch das erhebendere des Aufzuges aller Zünfte und Botschafter, des Geschenkezolles aller Statthalterschaften des osmanischen Reiches und der fremden Mächte, aufgeführt ward. Der Hippodrom, vierhundert Schritte lang und hundert breit, wurde für die Erfordernisse des Festes und der Zuschauer folgender Massen eingerichtet: Zuoberst (wo heute das Narrenspital) war ein Viereck von hundert Schritten mit Brettern für die Küchen eingeplankt. Im Palaste Ibrahimpascha's (hernach das Staatsarchiv der Kammer) waren offene Köschke und verdeckte Logen für den Sultan, den Kronprinzen und die Sultaninnen; unmittelbar unter dem Palaste und auf gleicher Linie mit demselben erhob sich fünf und neunzig Ellen lang und sechs Schuh hoch ein von Grund aufgemauertes, dann aber drei Stock hohes hölzernes, hiezu aufgeführtes Gebäude, dessen unterstes Stockwerk für die Gesandten der christlichen Mächte, das mittlere für die Aga des inneren und äusseren Hofstaates, das oberste für die Bege, Beglerbege [»Fürsten der Fürste«; Provinzstatthalter] und Wesire in Gemächer und Säle abgeteilt war; unter demselben eine sieben Fuss hoch aufgemauerte und zwölf Fuss lange Galerie für den Kapudanpascha [Grossadmiral] und die Bege des Meeres. Dem Palaste Ibrahimpascha's gegenüber war der Standort der kaiserlichen Musik-Kapelle und der künstlichen Palmen oder sogenannten Hochzeitskerzen; weiter unterhalb auf derselben Seite die für die persische Botschaft errichtete Bühne, mit einem künstlichen, aus Stricken geflochtenen Hangleuchter, woran viele hundert Lampen; weiter unten die für den französischen Botschafter errichtete. Noch weiter unten die Galerie des Kapudanpascha, gegenüber ein grosses Zelt, darin die Sorbete und andere Erfrischungen. In der Mitte des Platzes zwei Steigbäume, der eine rot angestrichen, der andere eingeölt, und ober denselben ein Lampenbaum von mehreren tausend Lampen, der Nachts angezündet herabgelassen wurde. Die Sorge für die Ordnung und Sicherheit des Festes übernahmen die Beglerbege von Rumih und Anatoh, der Kapudanpascha Uludsch Ah als Oberstbaumeister der Gallerien und Gerüste und der Janitscharenaga Ferhadpascha als Oberster der Wachen. Zur unmittelbaren Aufrechterhaltung der Ordnung und Reinigung des Platzes waren fünfhundert Spritzmänner (Tulumbadschi) bestimmt, welche in mannigfarbes Leder komisch gekleidet, jeder einen schmutzigen aufgeblasenen Schlauch aus Geissfell trugen, womit sie die Unordnungsstifter schlugen. Ihr Hauptmann auf einem Esel, mit Schabrake von Stroh geziemiert, zugleich der Lustigmacher des Pöbels.

Am ersten Junius 1583 zog der Sultan, am zweiten der Kronprinz in feierlichem Aufzuge aus dem Serai in das auf dem Hippodrome zubereitete Serai Ibrahimpascha's. Voraus die Tschausche [Staatsboten, Gesandte] und Muteferrika [Furiere] in Goldstoff, dann die Aga des Hofstaates und der Truppen; die künstlichen Palmen oder Hochzeitskerzen, je zehn oder zwanzig zwischen den grossen, deren vier, zwanzig und mehr Ellen hohe, von achtzig und mehr Janitscharen getragen wurden. Der Kronprinz in rot atlasnem Kleide mit handbreiter goldener Stickerei verbrämt, mit zwei schwarzen Reigern auf dem Bunde, einem Rubin am rechten Ohr, einem Smaragd an der rechten Hand, mit Edelsteinen besetztem Säbel und stahlener Streitkolbe, deren Kopf aus Einem vielseitig geschnittenen Kristall in Gold gefasst. Sobald er angekommen, und dem Vater die Hand geküsst, wurden die Hochzeitspalmen gegenüber des Palastes aufgepflanzt, und der Musik lärmender Gruss durchwirbelte die Luft. Drei Tage hernach zogen die Sultaninnen im Geleite des Zuckerwerkes auf, wie der Sultan im Geleite der türmenden Palmen gekommen war, dieses männlicher Kraft, jenes weiblicher Süssigkeit sprechendes Sinnbild.

Am folgenden Tage, an welchem die Sipahi [berittene Soldaten] bewirtet wurden, begannen die feierlichen Aufzüge der Zünfte, welche nun durch ein und zwanzig Tage nach einander aufzogen, dem Sultan mit Gebeten und Segensformeln Heil und Glück erwünschten, ihm ein Stück ihrer Kunstarbeit zum Geschenke brachten, und dafür ein Paar Hände voll neuer Aspern [50 Asper = 1 Dukaten] aus der seinen empfingen. Sie suchten sich gegenseitig durch schönen Anzug und phantastische Verzierungen, besonders aber durch die reizende Art zu überbieten, womit sie ihre Lehnungen aufputzten und ausstaffierten.

Den Anfang machten die Arbeiter für weibliche Kopf- und Fussbedeckung, vermutlich als Kompliment für die Sultaninnen, die Haubenmacher und Frauenschuster mit Fahnen aus Gold- und Silberstoff, mit farbigen Tragbimmeln oder Baldachinnen, deren Name ihren Ursprung von der Chalifenstadt (Bagdad, im Mittelalter Baldach geheissen) beurkundet; in einem grossen Schuh von goldgesticktem Saffian sass ein rosenwangiger Schusterbube, in Goldstoff gekleidet, den sie dem Sultan zum Austreten präsentierten. Daneben gingen Buden sinesischen Schatten- und Puppenspiels, Juden als deutsche und spanische Kriegsknechte verlarvt, andere mit Schilden als Schildkröten vermummt, vorüber; des Nachts wurde an einem Seile ein Lampenverein in einer neuen Figur, nämlich in der des pythagoräischen Fünfeckes, welche sie das Siegel Salomon's nennen, angezündet. Die Baumwollenschläger trugen Löwen und Meerungeheuer, Streitkolben und Morgensterne aus Baumwolle, das Wildeste und Härteste im Zartesten und Weichsten nachgebildet. Tages darauf wurde den Kanonieren und Zeugschmieden (Topdschi und Dschebedschi) Gasterei gegeben, die Männerschuster und Sattler zogen auf, die ersten, mit einem ungeheuren Stiefel aus Saffian und gelben Socken, trugen Stangen thyrsusartig mit grünem Laubwerke umwunden, und auf einer die obenerwähnte Figur des salomonischen Siegels. Die Sattler führten auf sechs Rädern eine wandelnde Werkstätte mit sich, auf welcher sie inmitten der Arbeit aller Arten von Sattel und Zeug begriffen waren; die Kaftanfalter und Brecher seidener Zeuge, welche dieselben in kleine Falten brechen, zogen unter einer Fahne von rotem und rotgelbem Damast auf; ein halbes Hundert in Seide gekleideter Knaben umgab einen Wagen, auf welchem ein Knabe den Seidenzeug statt auf dem runden Marmorsteine, dessen sie sich sonst hiezu bedienen, auf dem glatt geschorenen Kopfe seines Meisters in Falten brach. In der Nacht übertraf das vom Kapudanpascha Ulutschah abgebrannte Feuerwerk die aller vorhergehenden Nächte durch die schöne Zeichnung der in Feuer vorgestellten Schiffe, Türme, Kastelle und Elefanten. Am nächsten Morgen zogen die Gold- und Silberdrahtzieher, die Zuckerbäcker auf; jene spannen Gold und Silber, und diese Fadenzucker und Halwa in goldenen und silbernen Fäden aus. Dabei rannten die Sipahi und Silihdare [Reisige] in förmlichen Quadrillen auf einander, schossen nach goldenem Knopfe auf hoher Stange, und zogen dann zwei und zwei ab, davon sassen ihrer zwei in alten griechischen vergoldeten Rüstungen auf Einem Pferde, wie zur Zeit der Kreuzzüge die Templer und ihre Turkopolen; erst stand einer aufrecht, der andere auf dem Kopfe, und alsbald sassen beide wieder gerecht im Sattel, und was dergleichen mamlukischer (früher als englischer) Reitkünste mehr sind. Folgenden Tages suchten die Derwische Heuler, Dreher, Feuerfresser und Dolchzieher die Künste der Gaukler, Taschenspieler, Renner und Turnierer durch die ihrigen zu überbieten, indem sie unter beständigem Geschrei von Allah! und Hu! sich drehten, glühendes Eisen in den Mund nahmen, Messer verschlangen und dergleichen Gaukeleien mehr, so dass in den Gassen, wodurch ihr Zug ging, die Weiber (welchen auf den Platz zu kommen verboten war) aus Andacht und Rührung seufzten, weinten und aufschrien. Einer stürzte sich in ein Fass voll Schlangen und lag ruhig darin, ein Anderer liess sich einen nur acht Männern aufhebbaren Stein auf die Brust legen, und auf derselben zerschlagen, ein Dritter sprang über weit auseinander gesteckte Messer und Säbelklingen auf Leben und Tod. Das Feuerwerk stellte einen Wald und einen Garten mit Zypressen vor, von einem griechischen Popen erfunden und ausgeführt. Als der Morgen tagte, zogen die Seidenspinner, Schnürmacher und Schlingenflechter auf, mit seltsamen Hüten, Kappen und Hauben mannigfaltig mit Seide ausgenäht, ausgezackt und ausgeschlungen. Die Pastetenbäcker und Sorbetmacher bucken im Vorüberfahren und schenkten Sorbete von allen Farben aus; die Leinweber boten dem Sukan die feinste Leinwand, die Lederpresser grosse runde Tischdecken, aus Leder mit Gold durchnäht, und lederne Wasserflaschen ohne Naht zum Geschenke dar. Die Öbstler trugen die von ihnen verkauften Früchte auf lange Stangen gebunden. Die Zwimhändler und Schürzenmacher zogen vorbei, verdunkelt vom Glanze und der Pracht der ihnen folgenden Goldschmiede und Juweliere, die über dreihundert Knaben, in Goldstoff gekleidet, als die lebendige Unterlage ihrer Auslage vorführten. Die Rossdeckenmacher und Wachskerzler zeichneten sich durch die Grösse der zur Schau getragenen Decken und Wachskerzen aus. Hierauf kamen die Buchbinder und Papierfärber mit papiernen Fahnen, und hundert dreissig Knaben in vielfarbiges Papier gekleidet, und einer wandelnden Bude, in deren unterem Teile Einer Papier glättete, und im oberen drei Knaben den Koran lasen. Die Matratzen- und Polstermacher mit hundert fünfzig Knaben in Goldstoff, auf goldenen Polstern und Kissen. Die Spiegelmacher und Schalenmaler mit hundert fünfzig Knaben, vorn und hinten mit Spiegeln behangen, der darein scheinenden Sonne aber kaum anzuschauen. Die Kammacher als die bescheidenen Grundleger aller Toilette des Haares. Dreimal sieben Tage dauerten die Aufzüge fort; an den folgenden siebzehn kamen: die Wollstoff- und Leinwandfärber, die Speerschaftener und Dschiridmacher [Lanzenmacher], die Studenten und die Kaufleutevom Trödelmarkte, die jüdischen Schneider, die Saumsattler, die Zigeuner-Schmiede, die Juden Pulvermacher; die Rotgiesser, Mandolettenkrämer, Fischer; die Damastwirker hielten auf sieben und dreissig Stangen reiche Zeuge empor; die Buchhändler hatten keine Musikbande, wie die anderen Zünfte, sondern nur Derwische, die Jallah! und Hu! schrien, sie brachten dem Sultan zwei Korane dar; die Verfertiger der Daumringe aus Bein zum Anziehen der Bogensehnen; die Weber und Ackersleute; die Siebmacher und Verzinner; die Griechen aus dem Patriarchat und Fanar, die Kürschner, Pfeilmacher, Spezereien-, Kräuter- und Blumenhändler; die Futter- oder Heuverkäufer ohne Fahne mit einem aufgezäumten Ochsen; die Seiler, die Filzmacher, Stecknadelmacher, Lederer, die Messerschmiede, Scheidenmacher und Beutelmacher, die Papierschnitzer, Natron-, Theriak- und Mithridatkrämer, die Wasserträger, Steigbügelversilberer, Zeltschneider, Ausnäher, Hufschmiede, die Zigeuner, Besenmacher und Rauchfangkehrer, die Krämer des kleinen Besestan, die Milch- und Busa-Verkäufer [Busa - ein Getränk aus gegohrener Gerste], die Turbanmacher. Dann zogen auf die Glasblaser, Lastträger, die Verfertiger der eisernen Schuhbeschläge, Feil- und Beilhauer, die Verfertiger der Kornschwingen, die Bürstenmacher, Schuhflicker, Eisenhändler, griechischen Frauenschuster, Wäscher, Kesselschmiede, Sägehauer, Barbiere mit einer wandelnden Bude, in der sich kleine Knaben gegenseitig schoren; die Kopfbundverkäufer, Waagmacher, Garköche, Sudelköche und Pastetenköche, die Unschlittkerzenmacher und Obstverkäufer. Die Schulkinder mit den Schulmeistern, die Holzschuhmacher, Drechsler, Büchsenschäfter, Kälberfüssköche, Nagelschmiede, Fleischhauer, Seidenmacher. Weiters die Biscottenbäcker, Rosshändler, Vogelsteller, ägyptische Kaufleute, die Taglöhner, die dem Oberstbaumeister unterworfenen Bauleute: als Maurer, Steinmetze, Zimmerleute, Brunnengräber, Gipsübertüncher, Wasserleiter, Kalkbrenner, Kahnmacher; Brillenverkäufer; dann die Maler, Kopfbundwinder, ägyptischen Schiffleute, Korbflechter, und endlich die Weinschenker.

Ein Pferdewettrennen vom Dorfe Tschataldsche bis an's Tor von Adrianopel, dessen Preis tausend Dukaten, und Auswerfen von Gold und Silbermünzen zeichneten von den vorhergehenden und folgenden Tagen den siebenten Julius aus, an welchem Sultan Mohammed im Serail am Hippodrome vom Wesir Dscherrah Mohammedpascha eigenhändig beschnitten ward; das Ergebnis der Beschneidung wurde in goldener Schale der Sultanin Chasseki, Mutter Sultan Mohammed's, das blutige Messer der Sultaninn Walide, Mutter Sultan Murad's, zugesendet. Für die glückliche Beschneidung erhielt der Wesir-Beschneider an Geld und Geldeswert bis an achttausend Dukaten. Am folgenden Tage zeigten eine Giraffe und ein abgerichteter Elefant ihre Künste. Die Gastereien wurden eingestellt, und da die Schauspiele an den folgenden Tagen aufhörten, verlief sich das Volk.

 

 

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