Date: Mon, 5 Aug 2002 17:38:55 +0200
From: Marianne Rinderknecht <m-rinderknecht@bluewin.ch>
Subject: Cairo News

heute habe ich einen fensterplatz im internetcafe und sehe schoen auf den «Tal' at Harb» runter ... einen kreisel mit statue, umringt von schoenen franzoesischen bauten und hupendem verkehr ... gestern um fast die gleiche zeit haben wir uns hier mit achmed said getroffen ... er hat mir im vorfeld etwas von einem treffen mit nagib machfus erzaehlt ... «zuhause» wollten auch gleich alle mitkommen ... d. h. claudia, helen und ich (mauro der arme, musste leider im moevenpic-hotel am roten meer «arbeiten») ... auch wenn sie nur einen kleinen teil von machfus sehen koennten ...

zuerst gingen wir aber noch ins «atelier» ... das ist ein treffpunkt von kuenstlern, schriftstellern und theaterleuten ... eine wunderschoene idee ... tolle, grosszuegige raeume mit integriertem cafe im innenhof ... ABER ... ABER ... ABER ... ABER ... ABER ... ABER ... ABER ... ABER ... alles irgendwo in der moderne stehen geblieben, d. h. furchbare kunst und alte denkmuster ...
man trifft tatsaechlich kuenstler, musiker und schriftsteller die sagen: «zeitgenoessische kunst, musik und tanz interessieren mich nicht» ... nicht gerade erfrischend, aber das ist hier eben so ... langsam draengen wir zum aufbrechen ... «yalla bina» ... und da sitzt tatsaechlich nagib machfus ... ein altes zierliches maennlein ... wir sind ganz perplex ueber die private atmosphaere und diese naehe ... schuetteln ihm ehrfurchtsfoll die hand und setzen uns mit weichen knieen in die runde ... die runde erweitert sich ... zehn maenner, eine frau und wir ... alle haben sich irgendwie vorbereitet und so setzt sich einer nach dem anderen neben nagib machfus und «schreit» im geschichten, neuigkeiten, presseartikel, selbstgeschiebenes etc. ins linke ohr, da dieser nicht mehr gut hoert ... und obwohl sie alle sehr deutlich und eben laut sprechen verstehe ich nur einzelne woerter aber keinen zusammenhang ... namen wie sadam hussein ... arafat ... israel und amerika fallen ... dazwischen wird viel gelacht und diskutiert ...
mohamed (hier heissen alle achmend oder mohamed) erzaehlt mir: «manchmal sind die nachrichten so schlimm, das man darueber lachen muss» ... wir sind ganz verzaubert von diesem liebevollen ritual ... und nach etwa drei stunden loest sich die gruppe auf und auch wir verabschieden uns und bemerken, dass wir ganz gluecklich sind- «entu mabsut» ... nagib machfus faehrt mit polizei-escorte weg und wir beschliessen den abend im griechischen club mit wunderbarem essen, sakkara bier und politischen diskusionen ueber fundamentalismus ... 11. september ... amerikas wille ... und den sexuellen frust aller aegypter ... mohamed meint, das leben als liberal denkender sei die hoelle hier ...

vor dem einschlafen lese ich noch etwas nagib machfus ... jetzt anders ... und mit einer wunderschoenen zitterigen unterschift von diesem 91-jaehrigen maennlein, das so wunderbar vom leben hier schreibt ...

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