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«Blaustuhl» von Rahel Müller. Das Übernatürliche stellte ich mir damals unbedarft als eine riesige, einzelne Hand vor, die zwar unsichtbar, aber in den Umrissen doch so etwas wie durchsichtig gezeichnet war, eine Hand, die vom Fluss herüberschwebte und eingriff und sich um das Stoffliche kümmerte und es woanders hintrug oder es ein wenig streichelte und dann in Nichts auflöste. Die Hand konnte irgendwie lächeln und reden. Meine Vorstellung von ihr leitete sich wohl aus der Geschichte in der Bibel ab, wo eine Hand "ene mene tekel" auf die Mauer schreibt: "gewogen und für zu leicht befunden", Warnung und Orakel zugleich. Es faszinierte mich zutiefst, wie eine überdimensionale, unsichtbar-sichtbare Hand, losgelöst von einen noch viel grösseren unfassbaren Körper, der wohl da hinter der Hand halb im Boden versunken hätte liegen müssen, um in der vorgestellten Position auf die Mauer schreiben zu können, diese sichtbar-unsichtbaren, sich bald wieder auflösenden Worte wie ein Urteil da hinschrieb, die Kreide oder Tinte direkt aus dem Zeigefinger entstehend. Mit dem Vorstellungsbild unlöslich verbunden war eine gleichzeitig in einem anderen, weit offenen Raum leicht herunterschwebende, schneeweisse Feder, die in sanft schwankenden Hinundherbewegungen sich langsam gegen unten schaukelte, nach oben gebogen wie eine zarte längliche Schale.
Diese zwei Abfolgen sind meine erste Erinnerung an filmische Bildkörper, die sich parallel zueinander abspielten. Meine Aufmerksamkeit verfolgte gleichzeitig und mit einem damit verbundenen Grübeln diese zwei Sequenzen, ging nicht hin und her. |
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