URLAUB IN AUSTRALIEN

Von Matthias Kuhn

 

Mal überlegen was das eigentlich soll: Urlaub machen. Herr Kluge sagt, dass URLAUB was mit ERLAUBNIS zu tun hat, nämlich mit der «Erlaubnis, sich zu entfernen». Man muss jetzt ja nicht gleich denken: Entfernen von der Truppe. Obwohl da ganz interessante Zusammenhänge entstehen zur modernen Vorstellung von Urlaub. Es ist aber schon so: Urlaub nimmt man sich nicht, Urlaub wird einem gewährt. FERIEN macht man. Hat was mit Feiern zu tun. Wieder Herr Kluge. Er sagt auch ungefähr: Ferien hat was Religiöses. Auch da liegen die (modernen) Parallelen auf der Hand. Nur mal à propos: Kulthandlungen in der Masse (und durchaus auch mit dem Blick zum Himmel). Ein gescheiter Mann (Name vergessen, pardon) hat mal unterschieden - nur damit alles klar ist: «Ferien ist, wenn man frei hat; Urlaub ist, wenn man wegfährt.» Weiss jetzt nicht, was da Herr Kluge sagen würde.

Nur eins ist sicher: Eigentlich denken alle, sie kriegen Urlaub, um sich irgendwie zu erholen. Der Tragödie ist aber folgende: Urlaub (jetzt wirklich im Sinne von «in Urlaub fahren») ist dermassen anstrengend, dass man nachher Ferien (ein paar wirklich erholsame, freie Tage) braucht, um sich vom Urlaub zu erholen. Die These rechtfertigt sich aus der Beobachtung, dass Urlauberinnen und Urlauber im URLAUB in der Regel auch härter arbeiten als am Arbeitsplatz. In den FERIEN (zu Hause) sitzt man bloss rum, baut vielleicht ein bisschen am Modellflugzeug weiter, mäht zweimal die Woche den Rasen, fährt mit der Modelleisenbahn ein paar Runden extra oder geht häufiger mit dem Hund raus. Für die Erhärtung der These braucht man bloss ein paar der typischen (modernen) Urlaubsberufe anzusehen: Bildreporter/in (mit Film- oder Fotokameras an Plastikriemen um den Hals auf fremdländischen Märkten und an Stränden, in historischen Ruinen und futuristischen Architekturen), dann Laiendarsteller/in (vor den erwähnten Kameras auf den erwähnten Locations), Einkäufer/in im Aussendienst (die Urlauber/innen müssen zu Hause leere Wohnungen und Häuser haben, bei allem, was da im Ausland engros eingekauft und nach Hause geschleppt wird: Kleidung (vor allem handbedruckte leichte Sommerkleidchen und massenweise Schuhe), Möbel (diese krummen, originalgriechischen Stühle mit der geflochtenen Sitzfläche zum Beispiel, gerade noch tauglich fürs Handgepäck junger Tramperinnen), Pflanzen (nicht nur totaltödliche Palmen, sondern auch allerlei Selbstausgegrabenes) und Tiere (so richtig süsse fremdländische Hunde und andere Tierchen, die man gerade noch vor dem Tod retten konnte und die jetzt im Gepäck versteckt vom Erstickungstod bedroht werden), und natürlich jede Menge völlig sinnloser Souveniers, als - wie der Name schon sagt - Erinnerungsstützen, man vergisst sonst alles so schnell) und so weiter und so weiter ... und von den Logistiker/innen, die diese ganzen Urlaubsfahrten und -aufenthalte ausdenken, zusammenstellen und generalstabsmässig durchführen (und all die hochbepackten Autos samt Anhängern in den Süden fahren), ist jetzt noch gar nichts gesagt. Die müsste man nachher zur KUR anmelden.
Das beste ist: Alle wissen das. Und trotzdem fahren alle nach Südspanien (oder Griechenland).

Klar, dass ich nicht wegfahre und keinen URLAUB mache. Nur bisschen FERIEN (dieses Jahr). Kommt deshalb auch keine rechte Urlaubsstimmung auf. Dafür auch kein Stress mit dem Vorbereiten und Packen und so weiter. Werd aber wahrscheinlich doch mal ab und zu schon ein bisschen früher auf den Balkon raus, ein Buch lesen und - auch für mich ganz allein - eine Flasche Weisswein öffnen: wenigstens für ein solides Feriengefühl. (Und der Weisswein immerhin kommt ja aus Australien.)

 

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