Michel Houellebecq: Elementarteilchen.

Von Matthias Kuhn

 

In «Elementarteilchen» wird alles was in «Ausweitung der Kampfzone» schon schlimm war noch viel schlimmer. Aber irgendwie auch richtiger, oder noch realistischer. So realistisch eigentlich, dass man es kaum aushält.

«Elementarteilchen» ist ganz schnell erzählt, obwohl sehr viel passiert. Es ist einfach dies: Zwei Halbbrüder - Bruno und Michel - leben und sterben. Bruno ist primär sexbesessen und dann vor allem ein lebensuntauglicher Gymnasiallehrer. Michel ist Wissenschaftler, primär genial und vor allem lebensuntauglich. (Schon mal etwas das die beiden verbindet. Dazu kommt natürlich noch, dass beide eigentlich voll depressiv sind, klar.)
Bruno erhält von einer Freundin - Christiane - eine Tipp, wie er zu möglichst häufigem Geschlechtsverkehr kommt: von da an vögelt er sich durchs Leben, landet in der Psychiatrie und stirbt. Michel forscht an der menschlichen DNA herum, macht bahnbrechende Entdeckungen, erkennt gerade noch im Ansatz die Kraft der Liebe - nur ein Name: Annabelle - vereinsamt, als Annabelle stirbt und widmet die letzte Energie der Forschung und verschwindet im Meer. Eine Vermutung.
Zwischen diesen biografischen Strängen gibt es in «Elementarteilchen» unzählige Geschichten, Episoden, Anekdoten, Theorien, dass es ein wahres Vergnügen ist. Das eigentliche Vergnügen aber ist folgendes: Wie die Theorien Michels sich auf abgründige Art und Weise mit seinem Leben und dem Leben seines Bruders kurzschliessen. Der Link geht dermassen gut auf, dass einem die Luft wegbleibt. Vor allem in der Spannung zwischen dem Theoretikerleben Michels und dem Leben des Praktikers Bruno. Wahnsinn.
Und der beste Abschnitt?
«Humor kann niemanden retten; Humor führt letztlich zu nichts. Man kann die Ereignisse im Leben jahrelang mit Humor hinnehmen, manchmal auch jahrzehntelang, und in gewissen Fällen kann man praktisch bis zum Schluss eine humorvolle Haltung einnehmen; aber letztlich bricht einem das Leben doch das Herz. Egal wieviel Mut, Gelassenheit oder Humor man im Laufe des Lebens entwickelt hat, am Ende bricht es einem doch immer das Herz. Und dann lacht niemand mehr. Was bleibt, ist nur noch Einsamkeit, Kälte und Schweigen. Was bleibt, ist nur noch der Tod.»
Und dann gibt es eigentlich auch nichts mehr zu sagen.

 

Michel Houellebecq: Elementarteilchen. Roman.
DuMont Buchverlag, Köln.

 

Beurteilung   

zum Anfang