Rudi Gutendorf. Ich bin ein bunter Hund.

Von Christoph Bischof

 

Bunter Hund - bunte Sprache.

Gleich zu Beginn ein starkes Stück: «Es ist Mitternacht in Gaberones». Erstes Kapitel, die Überschrift - wo liegt Gaberones, es tönt verheissungsvoll, was passiert um Mitternacht bei einem Fussballtrainer? «Khani ist jung», so beginnt der zweite Abschnitt, so beginnt die Weltreise des Rudi Gutendorf aus Koblenz, Jahrgang 1926. Ich weiss nicht mehr, wie viele «Khanis» bis zum Ende des Buches aufgetreten sind, wie viele Ganoven, Spielervermittler, schlitzohrige Präsidenten - aber es ist unheimlich spannend, auch ergötzend zu lesen, wie da ein erfolgreicher Trainer, Abenteurer, Hasardeur, Frauenheld, harter Schleifer, sentimentaler Ehemann und reicher Emporkömmling sein Leben ausbreitet. Eine Mischung von Karl May, Ernest Hemingway, Jerry Cotton und irgendeiner Kicker-Sportjournalistenkanaille, ich kenne nichts Vergleichbares.

Khani ist jung. Die Farbe ihrer Haut ist eine Mischung aus mattem Schwarz und Honigfarben.

Gutendorf nimmt es mit allen und mit allem auf: er zähmt wilde Schwarze zu einem Haufen verschworener Fussballer, er bringt Staatspräsidenten zum Heulen über seine Aufstellung, er bändigt wildeste Tiere, um einen Medizinmann zu beeindrucken, er boxt sich mit gefährlichen Jungs um eine Frau und wird Lokalheld.

Wenn Khani nicht gerade duscht, rekelt (sic) und dreht sie sich auf meinem neuerstandnen Leopardenfell, das auf dem Sofa liegt und noch nach Gerbstoffen stinkt.

Die Zahlen sind beeindruckend: 18 mal Nationaltrainer in Ländern der Dritten Welt, 7 mal Trainer in der deutschen Bundesliga, 1964 Vizemeister mit dem SV Meiderich (heute MSV Duisburg), als Spielertrainer mit dem FC Luzern 1960 Cupsieger, er war Generalmanager der amerikanischen Soccer-Liga, er hält den inoffizielle Weltrekord von 55 Trainerstationen, er spielt in einer Prominenten-Mannschaft (mit dabei Overath, Schäfer, Hölzenbein u.a.) auch mit über 70 Jahren noch immer selber Fussball.

Da steht sie wieder wie immer im Zimmer. In ihrem Kleidchen, eigentlich nur ein Minifähnchen, völlig aus der Mode, zersägt mich mit klaren, gezielten Blicken, so lange, bis ich irritiert zur Seite schaue ... Hartes Haar sitzt an ihrem Kopf wie eine Kappe. Ein winzige Hundebiss ähnliche Unebenheit hat sie auf der linken Wange - eine Stammeskerbe, ein Rattenbiss? Feste Brüste mit schwarzen Höfen sind schwer von einer Bluse zu bändigen.

Da ist manchmal auch das Lachen über unfreiwillige Sprachkomik kaum zu bändigen («wieder wie immer im Zimmer», ein daktylischer Binnenreim!), zumal solche Passagen einem plötzlich anspringen wie ein Ball mit viel tückischem Effet. Politische Korrektheit ist nicht Sache des Rudi Gutendorf, aber die Sprache birgt so viel Überraschung, dass es eine Freude ist.

Sie ist eine schwarze Raubkatze, nur von der kann sie diese geschmeidigen Bewegungen haben. Ihre wie gemalten weissen Zähne blitzen ständig durch ihre Lippen. Die volle Unterlippe ist nie nass, aber immer etwas feucht. Ihre grossen dunklen Augen verfolgen mich. Ich komme mir wie eine Beute vor, die sie jetzt nicht mehr aus den Augen lässt. Ihr Mund lächelt nie das blöde Blankoversprechen weisser Pipimädchen in Pucci-Kleidern.

Pseudoethnologe mit Pauschalurteilen und weisser Macho: ja, aber immer von einer eifrigen, manchmal fast rührenden Art. Auch sich selber nimmt er davon nicht aus: «Da stehe ich unter dem weiten Himmel Afrikas. Ganz plötzlich fühle ich körperlich die Unendlichkeit der Bläue auf mir lasten und verstehe nicht die Bedrückung, die über mich kommt. Die donnernde Stille über Botswana-Land hallt mir entgegen; sie macht mich klein». Gutendorf ist ein Missionar in Sachen Fussball, den will er auf der ganzen Welt verbreiten (dazu Weiteres in «Gott ist rund» von Dirk Schümer, Berlin 1998). «Aus nichts etwas machen, das produziert in mir den Gärungsstoff, der mich beflügelt und bereit macht, Opfer zu bringen. Ich fühle mich gut, weil ich etwas zu geben habe. Vielleicht hatten die Missionare auch diese gute Gefühl». Es gäbe tausend Einwände gegen dieses Buch, aber die Stimmung, der Zug, den Gutendorf drauf hat (und der leider in der Zweitauflage im Verlag «Die Werkstatt», Göttingen 2002, einiges eingebüsst hat) macht die Lektüre ungemein lohnend, auch weil sie über die sprachlichen Mängel und Kapriolen auf weitere Werke verweist, die ich empfehlen möchte: Da ist zunächst «Kongofieber» von Redmond O¹Hanlon, Eichborn. Frankfurt 1998. Wo Afrika am schwärzesten ist, begeben sich Redmond und Lary auf die Suche nach Mokél6eacute;-mbembé, dem Kongo-Dinosaurier. O¹Hanlon beschreibt aus der Tiefe des Urwalds das pralle Leben einer Randgesellschaft. - Dann bietet sich nur schon vom Titel her das hervorragend geschriebene Buch «Nilfieber. Der Wettlauf zu den Quellen.» von Georg Brunold an, auch bei Eichborn, Frankfurt 1993. Da sind informative und spannende Reportagen und Essays versammelt, wie auch bei Hans Christoph Buch, «Blut im Schuh». Eichborn, Frankfurt 2001. Der allerdings geht an die Fronten der blutigsten Bürgerkriege und fällt manches polemische Urteil, aber brillant in Sprache und Aufbau. Wenn man dann wieder leichtere Kost will, greife man erneut zu Gutendorf, wir wollen ihn in Botswana nochmals aufsuchen:

Ich alter Esel habe mich wieder mal bis über beide Ohren verknallt. Sie ist die Tochter eines Turkana-Negers aus dem Süden des Landes und einer Inderin. Welch eine Mischung! In Gaberones ist sie Kindermädchen in einer ungewöhnlichen Familie. Khanis Boss ist eine feiste indische Matrone. Über der Hüfte drängen sich Fettpolster aus dem Sari, so dick und geteilt wie querliegende Arschbacken, Blickfang für alle indische Männer, die das lieben.

Adieu.

 

Rudi Gutendorf. Ich bin ein bunter Hund. Roman.
Herbig-Verlag München/Berlin 1987.
(Neuauflage:
Rudi Gutendorf. Mit dem Fussball um die Welt.
Die Werkstatt, Göttingen 2002)

 

Beurteilung   

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