19940711 betrifft den a-b-gesang

mein lieber schnédèr

 

 

ja ja. ich weiss es eigentlich. aber es vergisst sich immer wieder. und darum kannst du auch sehen, wie ernst ich dich nehme, deine gedanken sind mir befehl und ich möchte ihnen wenigstens solange genüge tun, als dass es mir möglicht ist. deshalb auch mein kleiner schreheck. das sollte kein vorwurf an dich gewesen sein. das denn doch nicht. ich erschrecke auch des nachts über allerlei vorstellungen über das leben und das müssen, das sich in mir aufbraut. und damit können andere, die sogar in meinen träumen vorkommen, willsgott nichts für. das wäre dann doch noch. und darum verwundert mich deine rechtfertigung von deiner friedliebigkeit. ich rede dir nun laut entgegen und gebe zu vernehmen: ich weiss, dass du friedliebend bist.

> ich habe keine angst vor dir. wieso denn eigentlich?

> hätte ich nun die dreizehn millionen schweizerfranken gewonnen - denn ich glaube ich wars nicht, obwohl ich meine zahlen nicht auswendig kenne, denke ich nicht, dass ich es war; und sonst lasse ich mich morgen beim abchecken mit der «neuen züricher», wie die deutschen sagen, herzlich gern überraschen - würde ich den vorschlag machen: wir fliegen in die ferien. und dann würde ich die dir bereits bekannten flugkarten einscannen und dir schicken. aber dann könnten wir nicht straks gegen den wind aus dem volkswagen hinausseichen. also: ich würde sagen - mit dreizehn millionen im gepäck darf man das - ich würde also sagen: wir verpacken den volkswagenbus in ein grosstraumflugzeug und lassen uns nach südenfrankenreich fliegen. vielleicht auch würde ich eine weisse ds kaufen und dann würden wir statt des buses mit zwei déessen im flugi nach süden fliegen-fahren. und warum ichs sagen würde? nicht um anzugeben. nein, darum gerade nicht. ich würde nur die kümmherlli und freyherrli vor der drohenden blamage bewahren. und wie du richtig sagst: abgesehen von unseren militärischen graden und griffeln würden wir den weg auch so finden. denn ein gefühl ist ein gefühl und das täuscht nicht. ecco. gesucht ist gesucht und gefunden ist gefunden. so isst das, mein lieper. jawoll.

> ich mache nun eine dringlichkeitsliste. ein organigramm über dinge, sozusagen. die würfel müssen mit, yatzy-papier. ein bleistift, ein gummi (nicht zum vögeln, du unhold; wenigstens in diesem fall, aber eigentlich hast du ja recht ... (versönlicher. hic!)) und kugel-kugeln (de quoi?), dann eine espressomaschine für die morgendurft und eine kochbluse. das werkzeugset aus der ds. schirm, stock, hut, gebiss, gebrille, gebetsbuch. göld, indentitätskarte, sonnenbrille, bettwäsche zum überziehen (hatz nämlich nicht) und das rasierzeug. die chemie für den körper. vielleicht kommt mir sonst noch was in den sinn. wer weiss. was ja eigentlich der trick einer solchen übung ist. man macht das ja nicht einfach so zur freude.

> was ich zu hause lasse, das schreibe ich nicht auf. [...] darum: mein froind. ich bereite mich nun auch persönlich perfekt vor. langsam und verbissen in meinen koffer schauend. und freue mich schon wieder: es sind nämlich nur noch fünf schlafvorgänge bis zum start. und wenn man bedenkt, dass wir bei hundertsechsundsiebzig angefangen haben ...

1 grusz: steinweg.

 

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