19940207 betrifft frankreich im sommer

mein lieber jean

 

 

> wie du ja weisst, bereiten wir uns im wahrlichsten intelleckduell seit david und goliath auf den sommer vor und schliesslich bist du durch unseren internen herrn steinweg auch darüber informiert, mit welchen themen wir uns duellieren. dazu nur folgendes: das haus vor der abfahrt nicht anzuzünden hat auch mit einer wohlerwogenen, sozusagen zivilisatorischen intelligenz zu tun: der neuzeitliche tourist pflegt nach der sommerlichen völlkerwandelung wieder nach hause zurückzukehren, ganz anders als der helvetische auswanderherr. wirf also dein motorrad, falls du es zuhause lässt, nicht vor der abreise in den see und fackle auch dein haus nicht ab.

> dann zu der theaterei im süden, die steinweg ganz richtig vorschlägt: was uns vorschwebt sind leicht-bekömmliche, den intelleckt und die sinne leicht reizende sommerstücke, die ein ins fantastische übersteigertes und immerhin unmögliches leben vorspiegeln und uns in unserer südlich-sommerlichen selbstzufriedenheit nur insofern stören, als sie uns möglichkeiten vorgaukeln, die in einer dergestalten trägheit, wie sie uns mittsommers ereilen wird, schwerlich zu erreichen sein werden. (nur in klammern: steinweg schreibt von jungen schauspielerinnen: dass sie nackt oder doch mindestens halbnackt auftreten werden, darüber schweigt er still! warum das?)

> weiter zu den kulinärrischen möglichkeiten und wünschen die sich ergeben, wenn man mit zwei köchen in den urlaub verreist. das verreisen mit zwei köchen ist ein trügerisches, vor allem, wenn die zwei köche selbstherrliche schlemmer und verschwender sind, nicht jedoch, wenn sich a) die köche, vor allem der eine, auf eine geeignete saucen-küche verstehen oder aber b) bekannte des kurzwarenhändlers im nahe ort sind und dessen sortiment nicht nur inn- sondern auch auswendig kennen. des weiteren vermindert sich die gefahr beim verreisen mit zwei köchen, wenn diese c) der im lande gesprochenen fremdsprache mächtig sind und diese d) auf die lebensmittel desselben landes anzuwenden wissen und ausserdem e) über logistische fähigkeiten im bereich der planung und beschaffung von essen, sowie der durchführung auch komplizierterer speisefolgen in kochtechnischer hinsicht, aber auch im hinblick auf den service und schliesslich den verzehr, verfügen. entscheide selbst. ich habe bereits entschieden: hoch lebe die französische küche!

> des weiteren fordert mich steinweg auf, meinen wahren namen hase zu erklären, was ich somit gerne tue, denn «ich bin bekannt unter vielen namen, spricht der herr». erstens nennt man mich hase, eigentlich franzhase, den wendigen, den flinken und schnellen vor allem im unterholz und gebüsch und vor allem auf der flucht (vergl. fluchtgeld = fersengeld). man nennt mich schnédèr, den korrupten polizisten, weil ich kein polizist bin, weil ich gar nichts mit der polizei, schon gar nicht mit der französischen, zu tun habe und auch nichts zu tun haben will. man nannte mich tim hankathus, den österlichen dichter, der karge verse auf ein kargeres leben schrieb. man nennt mit mathias gali, den verworrenen vielschwätzer, den sophistischen strickherr, den megatonnischen wortversdrehherr. schliesslich nennt man mich adrian positas, das menschliche fass, die schwer(ge)wichtige tonne rundum. man nennt mich heute auch schlicht: 1 wenzel. gruss.

 

Chronologie:   [letzter Brief]   [nächster Brief]

[zurück zur Übersicht: Franz Wenzel - David Steinweg: Die Frankreich-Korrespondenz]

 

 

[zurück zur Übersicht: Franz Wenzel (1960-1999)]

 

 

 

 

[zurück zum wortwerk]    Copyright 2000 bei wortwerk