19940222 betrifft die nachschrift (eine liste) [1]

mein lieber steinweg

 

 

> herzlichsten dank für den durchgehenden kommentar, welcher viel weit- und durchblick verrät und den praktiker als schauspieler blossstellt, der nämlist sofort sieht, wo zugunsten einer besseren spielbarkeit der hebel anzusetzen ist. wir werden wohl genug zeit finden, vorher und in frankenland selbst, dem stück den nötigen schliff zu geben. die herren walker und daniels allerdings, mein lieber steinweg, sind bereits engagiert: für zwei stallknechte (scotch or irish origin?) schienen sie mir ordinär genug. hätte wir zwei gräfliche, rundherum blaublütige, mitspieler gebraucht, klar dass ich dann auf die herren fiddich und deveron hätte rücksicht nehmen können und wollen. noch ein kleines wort zur pädagorischen interpretation allerseits: dein guter vorsatz hat ja nicht lange hingehalten! dazu muss und kann ich sagen, deine erzüchterischen deutungsverfluche sind so falsch nicht, denn allerdings schwebte mir ein ähnlich transparenter pädaktischer und didaphiler hintergrund vor. ausserdem haben die dichter nie nichts zu den deutungen, die man ihrem schreiben angetan hat, zu sagen gehabt. obwohl eigentlich alles schreiben deuten ist: von der wellt. genug.

[...] [2]

> mein lieber steinweg: wie du siehst habe ich allerhand in das stück hineinzupacken vergessen und so ist es leider unvollständig geblieben. allerdings dürfen wir nicht der illusion erliegen, dass mit diesem zwölfpunkte-nachtrag das stück vollständig würde. vielmehr wird es immer ein rumpf ohne arme und beine bleiben, ein kopf ohne schädelschüssel, ein knochen ohne fleisch. doch werde ich nicht ruhn, die nachträge zu sammeln und lange listen zu erstellen, die in den text, der schliesslich nichts weniger ist als ein kleines welttheater, hineingearbeitet werden müssen, um ein bisschen näher an eine (imaginäre) literarische glaubwürdigkeit heranzukommen. bevor wir tot gehen, werden wir sagen können müssen: «wir haben alles aufgeschrieben was wir konnten. es war nicht genug. die zeit hat nicht gereicht. es ist aus und vorbei. verbrennt unsere papiere!»

in diesem sinne und mit grüssen an die weit gereizte familie, vor allem an die infantin und den frischermann und die glänzende hebe: ein wenzel.

 

 

 

[1] die nachschrift (eine liste) Der folgende Fax erschien bereits im Anhang zur Publikation des daramatischen Entwurfs «Die menschlichen Feinde» von Franz Wenzel und sollte offensichtlich der Anfang eines Umfangreichen Anhanges werden. Weitere Listen oder Nachschriften konnten allerdings im Konvolut der «Frankreichkorrespondenz» nicht gefunden werden. [zurück zum Text]

 

[2] [...] Die Antwort Wenzels auf den Kommentar von David Steinweg zum dramatischen Entwurf «Die menschlichen Feinde» wurde bereits im Anhang der Edition der Werke Franz Wenzels publiziert und wird deshalb hier ausgelassen. [zurück zum Text]

 

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